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Emel und Mäx (Foto Tamara Acklin)


„Wenn da nur nichts passiert! Sollte man die hilflosen Hundlis nicht besser einzeln einsperren? Sind die krankenversichert? Haben die Witwenrente? Mutterschaftsurlaub und vierte Säule? Schulmittagstisch und freie Zahnarztwahl? Sind das am Ende böseböse Kampfhunde? Dann sollte man sie aus Sicherheitsgründen am besten gleich einschläfern – dann sind sie in Sicherheit…“

Sicherheit – Helvetiens Lieblingstugend – ist ein Dauerbrenner, vor allem in der Schweiz, einer der ängstlichsten Nationen der Welt. Und wir dürfen zurzeit auch an allen Ecken zum Thema schreiben, wenn auch nicht immer ganz im Sinne derer, die Sicherheit sogar noch auf der Alkoholfahne tragen. Nun wäre das nicht weiter tragisch, wenn die Angstneurotiker und Sicherheitsfanatiker ihr Spielchen ganz für sich, sozusagen in Haus und Garten, absolvieren würden. Das tun die Helvetier natürlich auch: nirgends werden so viele Sicherheitsanlagen, Alarm-Matten, Super-Schlösser verkauft, kaum eine Ethnie bekundet solche kindische Freude, wenn das gehegte Glanzautöli quartierweit quietscht, wenn sich ein Vögelein drauf setzt oder gar ein unanständig starkes Windstösslein ins hypersensitive Schlösschen bläst. Natürlich geht es beim Sicherheits-Theater zum grossen Teil gar nicht um die Sache. Es ist Dekor, Camouflage zur Prahler- und Protzerei. Denn – so der schweizermesserscharfe Schluss: je teurer und gigantischer, sicht- und hörbarer die Sicherheitsanstrengungen rund um ein Besitztum sind, desto teurer und bedeutender das dergestalt Geschützte. Beim Besitztum kann es sich auch um ein besonders schönes Weibsbild handeln, das man nur mit Bodyguards an die frische Luft lässt (dass auch das weder vor den Paparazzi noch vor dem Tod schützt, zeigte die Jahrhundertleiche Lady D, deren Abgang fast so viel Medienrummel auslöste wie der Aufstieg des letzten Stuhlinhabers Petri zur von eben demselben bewachten Himmelspforte). – Auch wenn ein Marktteilnehmer nach Sicherheit, nach Abschottung vor der Konkurrenz, vor der bösen Aussenwelt schreit, so löst das meist nur noch ein müdes Lächeln aus. Mit dem Hochwertwort ‚Sicherheit‘ wird nichts anderes als das Gieren nach materiell-finanziellen Vorteilen kaschiert. In aller Regel sind sich die Sicherheits-Schreier im marktwirtschaftlichen Gefilde dieses Versteckspiels auch völlig bewusst. Sie wissen auch, dass kaum mehr jemand darauf hereinfällt, aber im Markt werden halt auch kleine Trümpfe ausgespielt. Markenzeichen dieses relativ harmlosen Pseudo-Sicherheitsdiskurses ist, dass er egozentrisch geführt wird, dass immer klare Eigeninteressen der Reklamierer im Vordergrund stehen.

Leicht tragischer scheinen mir hingegen diejenigen zu sein, die es tatsächlich ernst meinen mit ihrem Sicherheits-Gelabber und Sicherheit nicht nur für sich, sondern für eine wie auch immer vorgestellte Allgemeinheit fordern. In diesem etwas ekelhafteren Sicherheitsdiskurs sind vor allem Politiker aus dem linken Spektrum anzutreffen mit ihrem merkwürdig schizophren gespaltenen Menschenbild, das auf der einen Seite ‚die Insassen, die andern, die Opfer des Systems, die armen Unwissenden, die Hilflosen, die auch gegen ihren Willen zu Schützenden, ja vor allem vor sich selbst zu Schützenden‘ kennt und daneben einen zweiten Menschentypus, dem sie selbst angehören: ‚Weise, die wissen, was gut ist für die andern, für die Dummen, die Unmündigen, und die selbstlos für die andern agieren und die Welt ordnen.‘ Wenn man sie nach dem Kriterium fragt, wer denn zu den einen und wer zu den andern gehöre, so drucksen sie rum und rücken nicht recht raus mit der Antwort. Schliesst man aus ihrem Verhalten, zeigt sich die recht simple Lösung aber rasch: Zu den Weisen gehören die aus derselben Partei, die genau denselben Kurs verfolgen wie sie selbst. Sie ernennen sich also im Eigenkrönungsverfahren à la Napoleon zu Gottvater oder – immer häufiger sogar in der patriarchalischen Eidgenossenschaft – zu Gottmutter. Auch bei ihnen ist natürlich ein Gutteil Eitelkeit, Selbstdarstellung durch Themenbesetzung und ähnlich Harmloses auszumachen. Aber das gespaltene Menschenbild sitzt so tief und braucht natürlich Bestätigung, und die erreicht man durch sukzessive Entmündigung der Schäflein, damit man dann auch als Hirte auftreten und den Weg ins sichere Gehege zeigen kann. Der grosse Trumpf dieser Entmündigungspolitik, der Reiz für die Schäflein ist, dass es natürlich in vielen Fällen höchst angenehm und gemütlich ist, nicht denken, nicht entscheiden, keine Verantwortung tragen zu müssen. War das nicht herrlich anfangs Rekrutenschule, als man nur im befohlenen Tenu zur befohlenen Zeit bereitstehen und dann einfach das ausführen musste, was die Chefs ausgeheckt hatten? Unzählige alltägliche Entscheidungen wurden einem abgenommen. Man musste auch nicht einkaufen, nicht kochen, nicht überlegen, wann man duschen, wann ein Bier trinken und wann und wo sich zur Ruhe legen wollte – alles wurde vorgedacht, vorgeplant, vorentschieden. So sieht ein sozialistischer (Alb-)Traumstaat aus: Alanius denkt, Simonettchen lenkt – und die Schäflein kriegen alles geschenkt, aber selbstverständlich nur das, was ihnen frommt und was auch ganz schön sicher ist.

 So weit wird es bei uns kaum kommen, auch wenn böse Zungen bereits von der ‚Schweiz als der letzten DDR Europas‘ sprechen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der appenzellisch-glarnerisch-innerschweizerisch-walliserisch-jurassische Geist, der allem, was von Bern kommt, zuerst einmal misstrauisch-kritisch begegnet und für die föderalistischen Eigenkompetenzen notfalls auf die Barrikaden geht, diesen Entmündigungs-Figuren früher oder später die Luft rauslassen wird. Freiheit, Autonomiebestreben, Risikofreudigkeit und die Bereitschaft, Eigenverantwortung zu übernehmen führten zur Gründung der Schweiz. Dieser urliberale, auch leicht anarchische Geist mag etwas unter dem sozialistischen Schafs-Schlamm schlummern, ausgestorben ist er nicht. Aber ab und zu daran erinnern, dass es ihn noch gibt, scheint mir angezeigt, und ich trage mit grösstem Vergnügen ein klitzeklein wenig dazu bei, ihn bei Bedarf aufwecken zu helfen.

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