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THESENANSCHLAG

Heitere Kriegserklärung an Fundamentalismen jedweder Couleur

DIE THESEN

Zentrale Begriffe

  1. Es gibt kein absolutes Wissen. Nur Thesen und Setzungen.
  2. Sogenannte ‚Fakten‘ sind Thesen, Setzungen und gelten immer nur innerhalb des Rahmens, des Gültigkeitsbereichs einer Rechtsordnung, eines Spiels, einer Zeitzone, einer Kultur, einer Wissenschaftsdisziplin, einer Branche, einer Sprache oder Fachsprache etc.
  3. Thesen sind Annahmen, Behauptungen, Wahrnehmungsinterpretationen, also Aussagen, die falsifizierbar sind.
  4. Setzungen sind von Menschen festgelegte und mit einem beschränkten Gültigkeitsbereich versehene Aussagen.
  5. Setzungen kennen wir in Form von Spielregeln, Gesetzen, Axiomen, Abmachungen, Vereinbarungen etc.
  6. Setzungen gelten nur im jeweiligen Bereich, für den sie installiert wurden und in dem sie auch durchgesetzt werden können.
  7. Die Unterwerfung unter Setzungen ist grundsätzlich freiwillig.
  8. Innerhalb ihres Bereichs sind Setzungen so, dass wir ‚richtig‘ und ‚falsch‘ unterscheiden können.
  9. Wegen ihres beschränkten Gültigkeitsbereichs sind Setzungen nie absolut, sondern immer relativ, in Relation zu ihrem Gültigkeitsbereich.
  10. ‚Wahrheit‘ ist für jede bewusste Entität das aktuelle Resultat ihrer gewissenhaften Wahrnehmungsinterpretation.
  11. ‚Lügen‘ heisst, bewusst etwas anderes als das Resultat der eigenen gewissenhaften Wahrnehmungsinterpretation zu kommunizieren.

Absoluter Wahrheitsanspruch

  1. Die ‚Aufklärung‘ fand nur partiell statt. Der absolute Wahrheitsanspruch verschob sich lediglich von der Kirche zur Wissenschaft.
  2. ‚Wissen‘ und ‚Glauben‘ ist dasselbe: für wahr halten, annehmen. Die beiden Begriffe werden umgangssprachlich verkehrt gebraucht. Der fanatisch Gläubige setzt das, was er glaubt, absolut. Das macht ihn zum ‚Fundi‘. Der sokratisch Wissende weiss um die Relativität, die Falsifizierbarkeit dessen, was er ‚weiss‘. Er weiss, dass er nichts (gesichert) weiss.
  3. Ein sokratisch denkender Wissenschafter präsentiert seine Forschungsergebnisse nie als absolute Wahrheiten, sondern – falls er auch noch über Humor verfügt – als ‚heutigen Stand des Irrtums‘.
  4. Wissenschaftliche Aussagen erfordern eine minimale Distanz zwischen Beobachter und Beobachtetem.
  5. Die – innere und äussere – Distanz zwischen Beobachter und Beobachtetem ist notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für eine wissenschaftliche Aussage.
  6. ‚Innere Distanz‘ ist eine andere Formel für das unerreichbare, aber anzustrebende Ziel eines ‚unabhängigen Standpunkts‘.
  7. Mangels Beobachtungsdistanz und identischer Standpunkte erhält jeder Beobachter von ‚Welt‘ bzw. ‚Wirklichkeit‘ ein anderes Bild des vermeintlich selben Beobachteten.
  8. Da kein menschliches Bewusstsein einen unabhängigen Standpunkt ausserhalb des menschlichen Bewusstseins einnehmen kann, um die für wissenschaftliche Aussagen notwendige Beobachtungsdistanz zu schaffen, kann keine mit menschlichem Bewusstsein ausgestattete Entität objektive, absolut gültige Aussagen über das menschliche Bewusstsein und sein Wahrnehmungssystem machen.
  9. Das Mass an relativer ‚Objektivität‘ einer Aussage nimmt zu mit der Unabhängigkeit des Standpunktes des Aussagenden bzw. der inneren und äusseren Distanz zum Beobachteten und dem Mass von Konsens mit anderen Entitäten.
  10. Absolute Objektivität gibt es so wenig wie absolut gültiges Wissen. Wenn etwas als ‚objektiv‘ deklariert wird, ist es eine These oder eine Setzung mit mehr oder weniger Zustimmung.
  11. Das Mass der Zustimmung hängt vom gerade aktuellen wissenschaftlichen, ideologischen, religiösen, gesellschaftlichen, kulturellen Zeitparadigma ab.
  12. ‚Normalität‘ ist eine Setzung des jeweiligen Kollektivs, das die Macht hat, Standards festzulegen (Foucault) und damit völlig unobjektiv.
  13. Sinnvoll und nachhaltiger brauchbar ist der Begriff der Dilemmakompetenz. ‚Normal‘ ist nicht mehr wie heute derjenige, der der willkürlich gesetzten Norm entspricht, sondern derjenige, der ohne therapeutische Hilfe mit den Dilemmata zurechtkommt , die sich aus den differierenden Wahrnehmungsinterpretationen aller Entitäten ergeben.

Innen und aussen

  • Jedes individuelle Bewusstsein nimmt seine einzigartige ‚Welt‘ wahr, gemischt aus Innen- und Aussenwahrnehmung.
  • Die Grenzen zwischen Innen- und Aussenwelt sind nicht scharf. Sie sind durchlässig, änderbar, interdependent und individuell unterschiedlich. Sie werden von jedem individuellen Bewusstsein permanent neu gezogen und sind psychologisch obsolet, auch wenn sie juristisch durchaus relevant bleiben.
  • Die Annahme, was ein individuelles Bewusstsein innen wahrnehme, sei subjektiv, was es aussen wahrnehme, sei objektiv, ist ein Irrtum. Alle menschliche Wahrnehmung ist Interpretation und damit subjektiv.
  • Wir sind nicht fähig, ohne subjektiven Filter wahrzunehmen. Schon Selektion, Zuwendung und Fokussierung von Wahrnehmbarem sind subjektive Prozesse, die durch die Priorisierung eine Wertung enthalten.
  • Auch die vermeintlich nüchtern rationale Zuordnung des Wahrgenommenen zu einer Kategorie oder Erfahrung beinhaltet eine Wertung. Wir können uns um Objektivität bemühen, sie aber nie erreichen.
  • Noch weiter vom Ziel wertfreier Wahrnehmung oder ‚Objektivität‘ entfernen wir uns, wenn Emotionen die Verarbeitung einer Wahrnehmung begleiten.
  • Ob wir zu einer ‚Erkenntnis‘ zu gelangen glauben über unsere Innen- oder über unsere Aussenwelt, ist von zweitrangiger Bedeutung. Priorität hat die Erkenntnis, dass jegliche Wahrnehmung und damit auch jegliche vermeintliche ‚Erkenntnis‘ eine subjektive, relative, individuelle ist.
  • Dieser im Wahrnehmungsprozess eines menschlichen Bewusstseins unvermeidbare, aus unserem Inneren kommende Wertungsfilter führt dazu, dass alle unsere Aussenwahrnehmung von unserem Inneren, unserer Sichtweise, unseren Wertungen geprägt, gefärbt, bestimmt ist.
  • Wir nehmen nicht DIE Welt, sondern UNSERE Welt wahr.
  • Was ein individuelles Bewusstsein als ‚Aussenwelt‘ wahrnimmt, ist mithin nicht mehr, aber auch nicht weniger, als seine nach aussen gestülpte Innenwelt.

Die Spiegel-Metapher

  • Der Spiegel, den wir ‚Aussenwelt‘ nennen, schafft eine minimale Beobachtungsdistanz. Wir können besser erkennen.
  • Nicht alle Entitäten durchschauen den mechanischen Spiegel und erkennen, dass er sie selbst zeigt. Und auch solche, die ihn durchschauen, ärgern sich oft über das, was er ihnen zeigt.
  • Noch viel weniger Entitäten durchschauen den psychologischen Spiegel ‚Aussenwelt‘, den genialsten Trick des gross angelegten Spiels.
  • Um zum Ziel des Spiels zu kommen, ist das Durchschauen des Spiegels ‚Aussenwelt‘ unabdingbare Voraussetzung.
  • Der Spiegel zeigt insbesondere die Dinge überdeutlich, die wir an und in uns nicht sehen können oder wollen.
  • Der Spiegel ‚Aussenwelt‘ agiert aber auch – und damit wird die Metapher ‚Spiegel‘ etwas überstrapaziert. Er verschafft uns spürbare Erlebnisse, beschert uns Glücksmomente und Schicksalsschläge.
  • Diese nach aussen gestülpte Innenwelt ermöglicht uns damit die handfeste Auseinandersetzung mit denjenigen unserer Innenanteile, die wir trotz Spiegelung nicht anschauen wollen, deren Botschaft wir nicht, noch nicht verstanden haben. C.G. Jung verwendet für die verdrängten Selbstanteile von Individuen und Kollektiven das einprägsame Bild des ‚Schattens‘.

Die Sinn-Hypothese

  • Damit dieser Erkenntnisprozess überhaupt in Gang kommt, brauchen wir die Sinn-Hypothese: Alles, was uns widerfährt, hat eine Botschaft für uns und damit einen Sinn.
  • Die Sinn-Hypothese liegt quer zum gerade geltenden Zeitparadigma der Kontingenz („alles geschieht zufällig bzw. nach eiskalten Naturgesetzen. Nirgends ist Sinn oder Botschaft“).
  • Das häufigste Argument der Anhänger der Kontingenz-Theorie gegen die Sinn-Hypothese ist die Vereinfachung auf die in verschiedenen Religionen promovierten Schuld- oder Karma-Hypothesen, die auf moralischen Wertungen von ‚gut‘ und ‚böse‘ basieren.
  • Die Sinn-Hypothese ist grundsätzlich wertfrei. Sie lädt ein, bei allem, was uns widerfährt, nach Sinn, nicht nach Schuld, nach Botschaft, nicht nach Verurteilung oder Belohnung zu suchen.
  • Sich und seine ‚Welt‘ zu decodieren versuchen heisst nicht, dem Ganzen ein moralisches Konzept überzustülpen und emsig nach Fehlern und Mängeln im Innen und Aussen zu suchen, um dann sich und die ‚Welt‘ verurteilen zu können.
  • Es ist unerheblich, dass diese Sinn-Hypothese – wie alle je von Menschen aufgestellten Hypothesen – nie von einem menschlichen Bewusstsein als absolut wahr, gültig bewiesen werden kann. Es reicht, dass sie das Abenteuer der Selbsterkenntnis ermöglicht, des Γνῶθι σεαυτόν (Gnothi seauton = Erkenne dich selbst‘, wie es in der Vorhalle des Apollontempels in Delphi stand).
  • Wenn es keine Möglichkeit gibt, zu beweisen, dass es die Aussenwelt, die für alle existierende Wirklichkeit gibt, könnte das vom einzelnen Bewusstsein als ‚aussen‘, als ‚Realität‘ Wahrgenommene auch Traum, Illusion, Vorstellung, ‚Maya‘ sein.
  • Moderne Physiker wie Anton Zeilinger vermuten, der Baustoff des Universums sei nicht Materie, sondern Information. Ich ergänze: subjektiv interpretierte, vom jeweiligen Beobachter gefärbte und bewertete Information.
  • Wie weit sich dieser Universumsbaustoff Information aus Innen-  oder Aussenwahrnehmung nährt, ist zweitrangig. Hauptsache sie führt zur Erkenntnis.
  • ‚Erkenntnis‘ ist mithin nicht Entdeckung einer allgemeingültigen ‚Wahrheit‘, sondern das Erlebnis einer Entität, die durch Entschlüsselung des Wahrgenommenen eine Botschaft verstanden zu haben glaubt, die sie direkt anspricht, sie meint und betrifft.
  • Dem Verstehen der Botschaft folgt das Suchen nach dem Sinn, der Bedeutung und der Handlungsanweisung, die sie enthält.

Wahrnehmung ist Kommunikation

  • Jede Wahrnehmung basiert auf einer Zuwendung, einer Fokussierung und ist damit bereits selektiv und interpretierend.
  • Weltwahrnehmung ist ein kommunikativer Akt zwischen Wahrnehmendem und Wahrgenommenem.
  • Wer wahrnimmt, kommuniziert. (‚Man kann nicht nicht kommunizieren‘ – Paul Watzlawick)
  • Die Weltwahrnehmung ist bei keinen zwei Wesen identisch.
  • Es gibt weder absolute Wahrnehmung noch absolute Identität.
  • Behauptete Identität ist immer eine Setzung.
  • Jegliche Aussagen über die Welt sind Wahrnehmungsinterpretationen.
  • Der Weltwahrnehmende strebt nach einer Vergewisserung, dass er ‚Wirklichkeit‘ wahrnimmt.
  • Was gerade von einem Individuum, einem Kollektiv, einer Kultur, einem wissenschaftlichen Zeitparadigma als ‚Wirklichkeit‘ bezeichnet wird, ist eine Setzung. Die Aussagen dazu sind Thesen.
  • Die Vergewisserung, Wirklichkeit ‚richtig‘ wahrzunehmen, versucht sich der Wahrnehmende über die Kommunikation mit anderen Wahrnehmenden zu verschaffen.
  • Da jede Wahrnehmung von ‚Welt‘ eine Mixtur aus Innenwelt und Aussenwelt des Wahrnehmenden ist und von unzähligen individuellen Faktoren wie Fokussierung, Zuwendung, Standpunkt, Entwicklungsstand etc. abhängt, klappt die angestrebte Vergewisserung über die ‚Wirklichkeit‘ des Wahrgenommenen nie vollständig.
  • Die Annahme, diese Vergewisserung habe mit irgendeiner andern Entität vollständig geklappt, erweist sich regelmässig als oberflächlich und entpuppt sich bei genauerer Analyse als Illusion.
  • Je häufiger diese Vergewisserung nicht klappt, desto grösser wird das Misstrauen in die eigenen Wahrnehmungsinterpretationen.

Wegweiser umarmen

  • Auf dem Weg zum Ziel der Erkenntnis, dem Durchschauen des grossen Spiels, klammern sich die meisten Entitäten vorübergehend oder dauernd an Wegweiser, die sie für das Ziel halten.
  • Das Festklammern an Wegweisern kann sich auf verschiedenste Weise ausdrücken. Die häufigste ist die Absolutsetzung der eigenen Wegweiser für alle andern.
  • Die Absolutsetzung bedient sich religiöser, ideologischer, wissenschaftlicher, kultureller oder spiritueller Argumente.
  • Es ist völlig egal, wie Absolutsetzungen begründet sind. Wichtig ist nur, unabhängig zu werden von ihnen, sie zu überwinden.
  • Die Überwindung der individuellen Absolutsetzungen – des ‚Fundi‘ in sich selbst – kann nur jeder Einzelne bei sich selbst leisten, da die Absolutsetzungen wie die Ängste individuell und subjektiv sind.

Angst

  • Grösstes Hindernis bei der Überwindung der persönlichen Absolutsetzungen ist die Angst.
  • Die Angst zeigt sich als Unsicherheit, Orientierungslosigkeit, Einsamkeit.
  • Angst ist so normal wie Stuhldrang. Und Verdrängung führt in beiden Fällen zu Verstopfung, Unwohlbefinden und in ganz sturen Fällen zum Tod.
  • Gegen den Tod ist in diesem gross angelegten Spiel nichts einzuwenden. Wenn ‚Leben‘ und ‚Wirklichkeit‘ möglicherweise Fiktion sind, verliert auch der ‚Tod‘ seinen Schrecken. Aber aus Angst und in Angst zu sterben ohne ein paar Schritte in Richtung Erkenntnis gemacht zu haben, ist eine verpasste Chance.
  • Angst ist der Erkenntnis abträglich, behindert die nüchterne Distanznahme zwischen Beobachter und Beobachtetem und destabilisiert den eigenen Standpunkt.

    Aussen oder innen ändern?
  • Selbstverständlich dürfen wir unser Leben in der – vermeintlich für alle gleichen – Wirklichkeit damit verbringen, zu versuchen, diese Aussenwelt zu verändern.
  • Da diese ‚Wirklichkeit‘ oder ‚Realität‘ aber für jede wahrnehmende Entität eine andere ist, herrscht nie Einigkeit über die Objekte der Änderung, die Vorgehensweise und das Ziel der intendierten Änderungen.
  • Wenn jede Entität etwas anderes in anderer Weise mit anderem Ziel ändern will, sind Konflikte unausweichlich.
  • Setzt eine Entität ihre Wahrnehmung und damit auch den erkannten Änderungsbedarf in der Aussenwelt absolut, verschärft dies die unvermeidlichen Konflikte.
  • Je nach Gewaltbereitschaft der ihre Wahrnehmungen absolut setzenden Wahrnehmenden schrecken Einzelne auch nicht davor zurück, anders Wahrnehmende zu vernichten.
  • Die Vernichtung gelingt aber bestenfalls im Aussen. In der Innenwelt sowohl des Vernichters wie aller, die die Wahrnehmungsinterpretationen des Vernichteten kennengelernt hatten, bleiben sie bestehen.
  • Wahrnehmungsinterpretationen, die von uns absolut gesetzte eigene Wahrnehmungsinterpretationen in Frage stellen oder gar negieren, können mithin nicht aus der Welt geschafft werden. Sie verschwinden nicht mit denen, die sie vorgenommen haben, auch und gerade wenn wir sie zum Schweigen zu bringen versuchen, sie vernichten und die Erwähnung und Weitergabe der Resultate von deren Wahrnehmungsinterpretationen verbieten.
  • Der Versuch, nicht genehme Wahrnehmungsinterpretationen zu unterdrücken, erzeugt in den meisten Fällen kontraproduktive Effekte. Die Gedanken sind frei und werden durch Verbote sogar gezielt in die unerwünschte Richtung gelenkt.
  • Wir dürfen auch die Botschaften und Sinnangebote, die zu mehr eigener Erkenntnis und Entwicklung führen würden, negieren, die Schultern zucken und alles, was uns widerfährt, als kontingent, als zufällig abtun und für alle Widrigkeiten Schuldige im Aussen zu suchen. Diese Suche nach Schuldigen ausserhalb von uns selbst kann durchaus Spass machen und die Rolle als Opfer der andern, der Umstände, des Schicksals, der ‚Welt‘ ist beliebt.
  • Solange wir keine Eigenverantwortung für unsere Weltwahrnehmung übernehmen, können wir uns nicht weiterentwickeln. Ohne die abenteuerliche und herausfordernde Suche nach Botschaften, Sinn und Erkenntnis wird das Leben inhaltsarm, sinnlos und bar jeder weiterführenden Entwicklung.
  • Der erste Schritt in Richtung Durchschauen des gross angelegten Spiels ist die Erkenntnis, dass es keine absolut gültigen Aussagen, keine absolut gültigen ‚Fakten‘ gibt, weder in der Innen- noch in der – vermeintlich allgemeingültigen – Aussenwelt.
  • Das Entsetzliche an dieser Erkenntnis ist, dass wir uns nirgends festklammern können, das Schöne daran ist, dass wir unsere Welt demzufolge selbst gestalten, verändern können, indem wir unsere Thesen und Setzungen ändern bzw. uns den Thesen und Setzungen anderer entziehen.

Spiele und Gesetze

  • Jedes Spiel innerhalb des grossen Spiels hat seine Regeln, die zwar änderbar, aber notwendig sind, damit wir überhaupt spielen können.
  • Innerhalb eines Spiels gibt es zwar nichts, was wahr im Sinne von absolut gültig wäre, aber es gibt ‚richtig‘ und ‚falsch‘. Was im einen Spiel richtig ist, kann im andern Spiel falsch sein.
  • Die Relativität der Spielregeln zeigt sich in jedem Spiel: beim Fussball darf im Feld nur der Torwart die Hände benutzen. Beim Handball darf der Spieler die Füsse nicht benutzen.
  • Die Relativität der Setzungen zeigt sich in jeder Legiferierung, die immer nur beschränkte Gültigkeit hat, nämlich dort, wo die Setzungen auch durchgesetzt werden können.

Macht über andere

  • Die Angst vor der beschränkten Gültigkeit der Weltwahrnehmung, vor der Einsamkeit und Unsicherheit im Kokon der eigenen Welt treibt Individuen und Kollektive dazu, nach äusserer Macht über andere Entitäten zu streben.
  • Mit jedem Quäntchen Macht im vermeintlichen ‚Aussen‘, in der vermeintlich für alle gleichen ‚Wirklichkeit‘ kann ein Individuum oder ein Kollektiv versuchen, Regeln aufzustellen, denen sich andere beugen müssen.
  • Geschieht diese Unterwerfung unter eine Regel, ein Gesetz, eine These unfreiwillig, entsteht eine Dysbalance von Macht.
  • Dysbalancen sind Konfliktherde und streben nach Rückgewinnung der Balance.

Macht über sich selbst

  • Wenn wir Macht über uns selbst ausüben, sie ausdehnen, erweitern, unsere Wahrnehmungsinterpretation bewusst machen und zu steuern lernen, sind wir auf dem Weg, das gross angelegte Spiel zu durchschauen.
  • Wenn unsere Wirklichkeit nach aussen gestülpte Innenwelt ist, muss sich unsere Aussenwelt mit der Änderung unserer Innenwelt mitändern.
  • Unsere vermeintliche ‚Aussenwelt‘ steht genauso in unserer Macht wie die Innenwelt.
  • Entscheidend ist, dass wir beim Ändern immer bei unserer Wahrnehmungs-interpretation ansetzen, bei dem, was wir ‚unser Bewusstsein‘ nennen, und nicht bei dem, was wir (noch) als ausserhalb unseres Bewusstseins liegend anschauen.

Freiwilliger Austausch

  1. Wenn wir Entitäten begegnen, die wir als ‚aussen‘, als ‚fremd‘, als nicht zu unserem Bewusstsein gehörend anschauen, können wir Informationen – den Baustoff des Universums – austauschen.
  2. Wir können die ‚Andern‘ fragen, ob wir ihre Welten, ihre Wirklichkeiten besuchen dürfen, um mehr Information, mehr Erkenntnis zu erlangen.
  3. Bei diesen Besuchen in den Bewusstseins-Ausschnitten anderer findet Kommunikation, Austausch von Information statt.
  4. Dabei kann Bewusstseinserweiterung stattfinden durch Integration von Teilen des Bewusstseins-Ausschnitts der besuchten Entität ins eigene Bewusstsein.

Mein und Dein

  1. Wenn unsere ‚Wirklichkeit‘ mit all den als ‚Andere‘ wahrgenommenen Entitäten unserer nach aussen gestülpten Innenwelt entspricht, gehören sie alle irgendwie dazu, zumindest zu unserer ‚Welt‘, zu unserer individuellen ‚Wirklichkeit‘.
  2. Es steht uns frei, sie als Gefahr, als Bedrohung, als Feinde oder als von uns in die Sichtbarkeit projizierte Lernchancen, Botschaftsträger, Sinnvermittler zu interpretieren.
  3. Es gibt eine Pluralität von Weltwahrnehmungen, genau so viele, wie es bewusste Entitäten gibt, aber es gibt – zumindest im Deutschen – keinen Plural von ‚Bewusstsein‘.
  4. Wenn es Bewusstsein nur im Singular gibt, dann verfügt jede bewusste Entität über einen kleineren oder grösseren Ausschnitt des grossen, ‚ganzen‘ Bewusstseins.
  5. Wenn der Baustoff des Universums Information ist, können wir das grosse Ganze als die gesammelten Informationen, als die vollständige Kommunikation von allem mit allem oder als ‚kosmisches Bewusstsein‘ bezeichnen. Im Diskurs von Rudolf Steiner entspricht dies in etwa dem ‚Weltgedächtnis‘ der ‚Akasha-Chronik‘.
  6. Ein moderneres Bild für das ‚kosmische Bewusstsein‘ ist die Vorstellung eines Supercomputers, der über sämtliche Daten verfügt inklusive aller Gedanken und Emotionen aller Entitäten.
  7. Aus der Sicht des ‚kosmischen Bewusstseins‘ gibt es keine ‚Anderen‘, nur unzählige Bewusstseinsausschnitte unterschiedlicher Grösse und unterschiedlichen Inhalts, die sich gegenseitig als ‚Andere‘ wahrnehmen.
  8. Gemeinsame Bewusstseinsanteile verschiedener Entitäten sind im Bild der Mengenlehre Überlappungen von Teilmengen. Diese Überlappungen sind Basis gelingender Kommunikation.
  9. Die Unterscheidung von ‚mein‘ und ‚dein‘ im Sinne von Possessivpronomen verliert an Relevanz. ‚Mein‘ wird zum ‚Zuwendungspronomen‘: ‚mein‘ ist all das von meinem nach aussen gestülpten Innen, dem ich mich zuwende, das ich anschaue, mit dem ich mich auseinandersetze.

Bewusstsein

  1. Bewusstsein ist die Fähigkeit einer Entität, andere Entitäten wahrzunehmen, Informationen zu verarbeiten und auszutauschen, also zu kommunizieren.
  2. Wenn jeder Akt der Wahrnehmung ein kommunikativer Akt ist und wenn alles im Universum Information ist, ist jede wahrgenommene Entität potenzieller Kommunikationspartner.
  3. Kommunikation im Sinne des bewussten Austauschs von Information, dem Baustoff des Universums, ist die entscheidende Tätigkeit um das Universum oder das ‚gross angelegte Spiel‘ zu erkennen und zu durchschauen.
  4. Jede Entität kann jeder von ihr wahrgenommenen Entität ‚Bewusstsein‘ zusprechen, sie ‚beseelen‘, solange sie nicht verlangt, dass andere dasselbe tun. Wahrnehmung ist Kommunikation. Ob sie mit Menschen, Tieren, Pflanzen, Steinen, Bergen, Flüssen, Meeren, Wolken oder Dingen stattfindet, ist egal.
  5. Der Wahrnehmende ‚beseelt‘ das Wahrgenommene, stattet es mit Bewusstsein aus, wenn er in einen Dialog mit ihm treten will. Die Geigerin beseelt ihre Stradivari und kommuniziert mit ihr. Dem Tauben daneben ist diese Kommunikation vielleicht verschlossen. Die gerade aktuelle, mit Untergangsängsten gespickte Frage, ob menschengemachte Maschinen dereinst über ‚Bewusstsein‘ verfügen und den Menschen versklaven werden, wird damit irrelevant.
  6. Wenn der Baustoff des Universums Information ist, verfügt nicht nur alles, was wir wahrnehmen, über Information, sondern alles, was je von irgendeiner Entität wahrgenommen wurde oder wird.

Kommunikationsmodi

  1. Kommunikation ist nicht auf menschliche Verbalsprache angewiesen. Die Biologen streiten sich zurzeit gerade darüber, ob einzelnen Zellen Intelligenz zugesprochen werden könne. Dass jedes kleinste subatomare Teilchen Informationsträger sein kann, gilt zurzeit als wissenschaftlich anerkannt, bleibt damit aber falsifizierbar.
  2. Nichtmenschliche Entitäten sind nicht dumme ‚Barbaren‘, weil sie nicht dieselbe Verbalsprache sprechen wie wir.
  3. Erfolgreiche Kommunikation erfordert, dass wir uns auf die Sprachen bzw. Kommunikationsmodi all unserer potenziellen Kommunikationspartner einlassen, sie verstehen lernen und versuchen, uns irgendwie verständlich zu machen, damit Informationsaustausch möglich wird.
  4. Wenn wir irgendeine Entität ansprechen und keine Antwort in unserer Verbalsprache erhalten und daraus schliessen, die angesprochene Entität sei nicht kommunikationsfähig und mithin dumm, sind wir selber dumm. Zürich leistet sich teure Professoren, die solche Dinge behaupten.
  5. Es gibt keine Entität, keine Instanz, die uns absolut gültig beweisen könnte, welche Entitäten über welche Informationen, über welche Kommunikationsfähigkeiten und über welche Ausschnitte von Bewusstsein verfügen. Das dürfen wir selbst herausfinden bzw. setzen und verändern, indem wir den Kreis der Kommunikationspartner laufend erweitern.
  6. Die Anstrengung lohnt, mit sich möglichst stark von uns unterscheidenden Entitäten zu kommunizieren. Das bedeutet viel mehr als andere Verbalsprachen zu erlernen. Es bedeutet, die Palette der denkbaren Kommunikationsmodi dauernd zu erweitern, zu entdecken, zu erlernen und dann den Austausch zu intensivieren.
  7. Kommunikationsmodi über den Inhalt der menschlichen Verbalsprachen hinaus sind beispielsweise Prosodie, Mimik, Gestik, generell Körpersprache, alles Optische, Auditive, Taktile, Riechbare, Gustatorische, Infrarot, Ultraschall, Radar, energetische und telepathische Kommunikation. Dann gibt es im Tier- und Pflanzenbereich unzählige noch wenig erforschte Kommunikationssysteme wie Delfinsprache, Vogelschwarm-Flugkoordination, Pflanzenkommunikation über Duftstoffe etc.

Virtuell oder wirklich?

  1. Ob dieses Spiel virtuell oder ‚wirklich‘ stattfindet, ist zweitrangig. Solange wir uns bewusst als unterscheidbar von den ‚Andern‘ Abgetrennte wahrnehmen, sind wir Mitspieler.
  2. „All the world’s a stage…“ (Shakespeare, ‚As you like it‘). Leben ist Inszenierung. Und wir sind Autoren, Regisseure und Hauptdarsteller unseres Stücks. Auf der Bühne, im Spiel gelten Spielregeln. Aber sie sind änderbar, nie absolut.
  3. Ob unser Leben eine Tragödie, ein Drama, eine Komödie, eine Wohlfühl-Happy-End-Schnulze, ein Action-Thriller, ein Krimi, ein Roadmovie, eine endlose Coming-of-Age-Story, ein Science-Fiction-Abenteuer, ein Natur- und Tierstreifen wird, entscheiden wir selbst.
  4. „Charakter plus Zeit = Schicksal“. Dass die These ursprünglich aus der Astrologie stammt, macht sie nicht dümmer.
  5. Wenn wir an unserem ‚Schicksal‘ bzw. der Auswahl und Intensität der Informationen, aus denen das Universum offenbar besteht, etwas ändern wollen, können wir das tun, indem wir an unserem ‚Charakter‘ bzw. unserem Wesen, das aus unseren Wahrnehmungsinterpretationen besteht, etwas ändern.
  6. Zeit und Raum sind nur Hilfsparameter, damit sich unser Inneres im vermeintlichen Aussen abspielen, ereignen kann, damit wir es ‚zu Gesicht bekommen‘ und ausagieren können.

Ziel und Sinn

  1. Wir können uns Ziel und Sinn unserer Mitwirkung im gross angelegten Spiel selbst geben.
  2. In dieser Weltsicht ist es Erkenntnis, Durchschauen des gross angelegten Spiels, Überwindung der Ängste und letztlich auch der fingierten Spaltung in verschiedene Entitäten durch Bewusstseinserweiterung.
  3. Das gross angelegte Spiel basiert auf dem altbekannten ‚Zerstückelungs-Motiv‘. Aus einer sich unserer Vorstellung entziehenden ‚Einheit‘ oder ‚Ganzheit‘ oder ‚Vor-Urknall-Wirklichkeit‘ wird Vielheit, Verschiedenheit, entstehen Myriaden von Entitäten, die interagieren.
  4. Mit diesem Spielzug entstehen notwendigerweise Zeit, Raum, voneinander unterscheidbare Entitäten und Interaktion zwischen diesen.
  5. Die Relativität von Zeit und Raum haben verschiedene Erkenntnismethoden wie Physik und Spiritualität unabhängig voneinander decodiert.
  6. Die Relativität voneinander unterscheidbarer Entitäten und ihrer Interaktionen erkennen wir in jeder erzählten oder gelebten Geschichte.
  7. Diese ‚Schöpfungsparameter‘ oder ‚Durch-den-Urknall-entstandene-Wirklichkeiten‘ sind mit dem Spiel verknüpft, sind Teile der Spielregeln und nur für Mitspieler ‚wirklich‘, solange sie mitspielen.
  8. Wenn alle Informationen gefunden, decodiert und zusammengesetzt sind, die Erkenntnis an ihr Ziel gelangt ist, werden die ‚Schöpfungsparameter‘ oder die ‚Urknall-Wirklichkeiten‘ überflüssig.
  9. Die ‚Schöpfungsparameter‘ oder Spielregeln sind überwindbar. Wenn das Spiel zu Ende gespielt, der Sinn des gross angelegten Spiels erkannt , die Botschaft verstanden und umgesetzt ist, kann der am Ziel angekommene Mitspieler das Spiel mit seinen Regeln und Bedingungen verlassen. Er ist über das Spiel hinausgewachsen.
  10. Diesen Prozess kann man als ‚Entschöpfung‘ begreifen, als Rückabwicklung der Schöpfung, nachdem sie ihren Zweck – Erkenntnisgewinn – erfüllt hat. In religiöser Diktion wird dieser Prozess mit verschiedensten Metaphern umschrieben: als ‚Erleuchtung‘, als ‚Rückweg ins Paradies‘, als ‚in den Himmel kommen‘, als ‚Eingehen ins Nirwana‘ und so weiter.
  11. Wichtig ist bei jedem Kommunikationsmodus, aber insbesondere bei den Verbalsprachen, die Idee, der Inhalt der verwendeten Bilder und Begriffe – und nicht die metaphorische Verpackung. Dort, wo wir uns an die Verpackung, an das konkrete Wort, das benutzte Bild klammern, sind wir dem Fundi in uns auf der Spur.
  12. Mein Argument für die hier promovierte Weltsicht ist das Abenteuer der Botschaftsdecodierung und der faszinierenden, erkenntnisfördernden Sinnsuche mit dem zugegeben unbescheidenen Ziel der Ganzwerdung.
  13. Alternativen sind die unsägliche Langeweile der Sisyphos-Existenz, das existenzialistisch jammervolle ‚Hineingeworfensein in eine unwirtliche Welt‘, das öde Heideggersche ‚Sein zum Tode hin‘ und viele mehr.

Der Fundi in uns

Der Weg in Richtung Erkenntnis ist gepflastert mit Ängsten und verzweifeltem Anklammern an vermeintlichen ‚Gewissheiten‘, ‚gesichertem Wissen‘, ‚Fakten‘, die uns Orientierung geben und Gemeinschaft versprechen.

Diese Absolutsetzungen, die wir vor- oder übernehmen, bilden den ‚Fundi‘ in uns.

Diesen ‚Fundi in uns‘ samt den dahinter steckenden Ängsten gilt es zu überwinden, wenn wir zum Ziel kommen wollen.

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