«Krieg den Friedenstauben!» – «Black Birds Matter!» – Geschickt flogen die Raben mit ihren Schriftzügen weite Runden über dem Markusplatz in Venedig, wo all die systemisch rassistischen weissen Tauben, heuchlerisch ins gräuliche Gewand der gemeinen Stadttauben gehüllt, die Touristen anbettelten, weil sie zu faul und zu dumm waren, sich ihre Nahrung selbst zu beschaffen, so wie sie, die Intelligentesten unter den Vögeln, es taten. – Doch immer mehr lief auch im Meer: die lieben Haie und Piranhas sowie weitere echte, richtige Fische hatten mit wasserfesten Stiften ihre Botschaft an die Korallenriffe geschrieben: «Fischland den Fischen!» – «Abwahl der Wale!» – Auch im Busch war was im Busch: «Kürzt die Giraffen!» – «Gleiche Hälse für alle!» – Und die Elefanten trompeteten: «Tod den Trompetern!» Die Löwen verlangten die Schleifung des Löwendenkmals in Luzern und das Einstampfen aller Flaggen und Unternehmens-Logos, die sich in hanebüchener kultureller Aneignung ihres Bildes bedienten. Auch die Adler schäumten vor Wut – also so weit man mit einem Schnabel eben schäumen kann – denn es wimmelt geradezu von Ländern, die sich erfrechen, den König der Lüfte (die Flugsaurier sind ja ausgestorben) als Wappentier zu missbrauchen. Es lohnt sich gar nicht, all die Prahlhänse von den USA über Deutschland, Russland, Rumänien, Irak, Ägypten bis zu Albanien aufzuzählen; es ist fast einfacher, die Nationen zu erwähnen, die sich nicht mithilfe eines Adlers wichtig zu machen versuchen. Die englischsprachigen Adler haben noch eine tierinterne Klage der Igel am Hals, nachdem ein junger helvetischer Igel sich vom Matterhorn stürzte mit dem Ruf «I’m an eagle!» Die Hinterbliebenen des Jung-Igels verlangen eine sofortige Umbenennung der anglophonen Adler.
Im Kampf gegen diskriminierende Wirtshausschilder haben sich derweil unzählige Species zusammengefunden. Nur schon in Helvetien wimmelt es ja von Beizen, die Tieren nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Identität rauben: Rössli, Löwen, Hirschen, Ochsen, Bären, Schäfli, Adler, Raben und wie sie alle heissen, auch wenn längst ein Pizzaiolo drin den Teig durch die Lüfte schwingt oder ein Türke am Kebab-Spiess schabt. – Bis all diese Inschriften von den Hauswänden gekratzt und gepickt sind, hat die Specht-Inc.Ltd noch ziemlich Arbeit. Die Schildkröten legen sich gleich mit der Panzerindustrie an: die Nachbildung ihres Rückenpanzers und dessen Missbrauch für die doofen Scharmützel der nackten Affen sei ein kultureller Übergriff. Die Krokodile verlangen die Entfernung ihres Bildes von diesen blöden Menschenkleidern, ansonsten sie deren Träger leiderleider verspeisen müssten – mit oder ohne Klamotten. Haie wehren sich, dass ihr Name durch die gleichlautende Begrüssungsfloskel ‘Hi’ verballhornt werde, was die Uhus gleich veranlasst, nachzuziehen.
Die belesenen Eulen verlangen aber generell eine rigorose Sprachzensur. Es reiche nicht, alle Bücher umzuschreiben, in denen Tiere nicht artgerecht dargestellt seien, es sei auch der mündliche Missbrauch unter Strafe zu stellen. Wer ‘dumme Kuh’ sage, gehöre für mindestens eine halbe Stunde ins Güllenloch. Wer ‘blöder Affe’ brülle, werde auf 30 Meter Höhe im Urwald abgesetzt und soll selbst erleben, wer da ‘blöd’ ist. Wer ‘fiese Ratte’ schreit, muss drei Wochen bei Kim Yong Un als Küchenhilfe arbeiten. Wer ‘fauler Hund’ austeilt, muss sich seine Nahrung für einen Monat in einem mehrere Quadratkilometer grossen Gelände erschnüffeln. Wer ‘fette Sau’ kreischt, muss eine Woche mit Tamara Funiciello zusammenleben. Wer jemanden als ‘Wendehals’ beschimpft, wird automatisch Co-Präsident der Partei ‘Die Mitte’, bis sein Hals auch geschmeidig ist. Wer ‘verlogene Schlange’ zischt, muss mindestens dreimal duschen mit Doris… – so ging es seitenweise weiter. Der Strafkatalog der Eulen war endlos und wirklich beeindruckend.
Als Torlinli Mauchli von all diesen tollen Projekten der Tierlis hörte, während sie mit Inbrunst das ‘M’ des grusigen Wortes ‘Mohrenkopf’ von einer Zürcher Hauswand kratzte, schaute sie voller Wermut zu ihrer Geliebten Tusseli Glettli hinüber, die derweil am Schluss-‘f’ der entsetzlichen Buchstabenfolge schabte, und hauchte: «Wenn ich denke, dass ich vor kurzem ‘Diskrimi..’ – naja, dieses Wort gar noch nicht kannte – und heute ist es mein Leben…!» – Tusseli lächelte selig und gab zu: «Vor kurzem hielt ich ‘Wok’ noch für eine asiatische Pfanne – und heute bin ich es!» – Torlinli strahlte: «Und jetzt sind auch die Tierlis erwacht! Es wird alles gut!»