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Kommentar zur Verbandsmitteilung ‚NEUE PARTNERSCHAFT DES SVPS ZUR FÖRDERUNG DES PFERDEWOHLS vom 27. 5. 2022

Rettung naht: die internationale ‘Sporthorse Welfare Foundation’ betreibt laut SVPS-Medienmitteilung nicht etwa wie der Rest der Welt niederwertige, sondern hochwertige Forschung und Ausbildung. Und dazu hat sie sich was ganz Tolles einfallen lassen. Sie will über eine «systematische und mehrstufige Befragung von Expertinnen und Experten der Pferdebranche weltweit einen Kriterienkatalog ausarbeiten, um das Pferdewohl neutral und sachlich zu bestimmen.» – Wie wenn je in der Menschheitsgeschichte eine Befragung – und erst eine weltweite – von irgendwem etwas ‘Neutrales und Sachliches’ hervorgebracht hätte. Befragungen ergeben immer nur ein Sammelsurium von Meinungen, die selbstverständlich durch manipulative Fragestellungen und Auswertungen in eine gewünschte Richtung geschubst werden können. Aber wie soll eine Meinung zu so etwas schwerlich Definierbarem, Wauschelig-Emotionalem wie der Beurteilung des ‘Pferdewohls’ und wie man es fördert und erhält, ‘neutral’ und ’sachlich‘ sein? Die Schweiz hat ihre Neutralität gerade aufgegeben, also sollten wir doch ein besonderes Gespür dafür haben, was ‘neutral’ meint: seine persönliche Meinung nicht nach aussen tragen. Genau das wollen die lieben Befrager aber tun. Klar, man kann – wie bei der Corona-Task-Force – natürlich genau die ‘Experten’ befragen, die das Gewünschte aussagen, aber dann nimmt niemand das Resultat ernst, und es ist auch dann keineswegs neutral und sachlich. Das einzig Brauchbare, was diese Studie ergeben könnte, wäre ein Einblick in die Vielfältigkeit und kulturelle Unterschiedlichkeit der Vorstellungen von ‘welfare of the horse’, die Widersprüchlichkeit der Erkenntnisse und Abhängigkeit vom Individuum Pferd und vom Individuum Mensch. Daraus Regeln abzuleiten, wie weltweit mit Pferden umgegangen werden müsse, scheint mir naiv, dumm und kontraproduktiv – aber zugegeben, durchaus im totalitären, kollektivistischen Weltretter-Zeitgeist mitschwebend.  

Die Schweiz schickt den offenbar unterbeschäftigten Alt-SVPS-Präsidenten Charles Trolliet in diesen sicher wohldotierten Stiftungs-Job. Wenn ich sein O-Ton-Zitat in dieser SVPS-Verbandsmitteilung vom 27.5.22 lese, schwant mir Übles:

«Die Anforderungen an unsere Sportpferde haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Um die geforderte Leistung erbringen zu können, müssen sie körperlich und geistig topfit sein. Deshalb ist es wichtig, ihr Wohlergehen jederzeit neutral beurteilen zu können. Ein von Fachleuten erarbeiteter Kriterienkatalog kann dieses Monitoring entscheidend vereinfachen»

Ich halte diese Aussage aus folgenden Gründen für Schwachsinn:

  1. Haben sich die Anforderungen an unsere Sportpferde keineswegs ‘stark verändert’. Im Gegenteil. Sie werden besser gehegt und gepflegt denn je und massvoller eingesetzt. Im CC wurde vor bald 20 Jahren der Rennbahn- und Wegestreckenteil abgeschafft, was einer grossen Minderung der physischen Anforderungen entspricht. Die Anzahl der Starts ist weltweit in allen Disziplinen reglementiert. In der am ehesten überforderungsgefährdeten Disziplin Endurance kam es zum Eclat und zu massiven Einschränkungen, nicht dank Umfragen, sondern vor allem dank beherztem Engagement fachkompetenter Tierärzte.
  2. Sportpferde mussten – wie in früheren Jahrhunderten Militärpferde – schon immer physisch und psychisch topfit sein. Waren oder sind sie es nicht, haben sie nie die ‘geforderte Leistung’ erbracht. Der Witz ist ja gerade, dass man Pferde nicht wie Menschen zur Leistung zwingen kann. Das scheint unser auf dem Pferd nie etwas geleistet habender Altpräsident nicht erkannt zu haben bislang.
  3. Das Wohlergehen eines Lebewesens kann nie ‘neutral’ beurteilt werden. Jedes Wesen hat andere Bedürfnisse und andere Grenzen und sogar bei jedem einzelnen einzigartigen Pferd gibt es kaum zwei Beurteilende, die sich einig sind. Das ist ja genau der Grund, warum solche Begriffe in der Gesetzgebung nichts verloren haben, da sie die Richter vor unlösbare Probleme stellen, weil es im Gefühlsbereich weder Objektivität noch Neutralität noch Sachlichkeit gibt. Für mich als Sportreiter schreien all die verfetteten, unterbewegten Freizeitpferde, die ein oder zweimal pro Woche eine ebenfalls verfettete, unterbewegte Reiterin auf ihrem Senkrücken durch die Pampa tragen müssen, alle laut und deutlich, dass es ihnen NICHT wohlergehe. Ich würde mir aber nie anmassen, meine Beurteilung sei neutral, sachlich oder gar objektiv, auch wenn es durchaus ein paar kompetente Tierärzte gibt, die es ähnlich sehen. Fragt man aber eine dieser verfetteten Freizeitreiterinnen, dann schreien all die armen Sportpferde, die entweder ganz schnell rennen, über grässliche Hindernisse hopsen, an Ort stampfen oder mit einem Wagen durch entsetzliche Engnisse rasen müssen, dass es ihnen NICHT wohlergehe. Bleibt zu hoffen, dass auch sie sich nicht für ‘neutral’ hält. Dann fehlen noch die selbsternannten Tierschützer, die noch nie auch nur versuchten, sich einem Pferd zu nähern, geschweige denn mit ihm zu kommunizieren, denen alle Pferde, die je jemanden auf dem Rücken tragen oder ein Wägeli ziehen müssen, lauthals entgegenschreien, dass ihnen eigentlich nur in freier Wildbahn, vielleicht in der australischen Steppe, aber bitte ohne Raubkatzen, Schlangen, Skorpione und Giftspinnen ganz eventuell, wenn überhaupt, wohl sein könnte.
  4. Die Vorstellung, ein ‘von Fachleuten erarbeiteter Kriterienkatalog’ könne ‘dieses Monitoring entscheidend vereinfachen’, ist auf den ersten Blick hirnrissig dumm. Denn jeder ernsthafte Rösseler versteht sich als ‘Fachmann’ und keine zwei sind sich einig. Also kann der ‘Kriterienkatalog’ überhaupt nur durch massive Selektion entstehen, also durch die ‘Oberfachleute’, zu denen dann die ‘Trolliets aller Länder’ zählen. Und jetzt kommt der zweite Blick, der zeigt, dass der Satz vielleicht eher totalitär als nur dumm ist. Das Pandemie-Regime hat gezeigt, dass man durch Machtkonzentration und Aushebung demokratischer Mitbestimmung die Dinge tatsächlich ‘entscheidend vereinfachen’ kann. Das tun ja Monopolverbände wie die FEI und der SVPS schon immer. Vor allem die FEI zeichnet sich durch recht hemmungsfrei autokratische Regulierungsfreude aus. So gesehen könnte in diesem Satz mehr Diktatur liegen, als man auf den ersten Blick ahnt. Je nachdem, wie die ‘Trolliets aller Länder’ die zu Befragenden auswählen bzw. die gewünschten Meinungen sammeln, je nachdem wes Pferdegeistes die Stiftungsräte sind, die das Projekt und die Experten bezahlen, kommen am Schluss Regeln raus, die entweder den einen oder den andern oder den Dritten oder gar niemandem in den Kram passen. Kleine Analogie: die WHO ist keine weltweit anerkannte Behörde mit Durchsetzungsbefugnis. Trotzdem halten  grosse Teile der Welt ihre Verlautbarungen für sakrosankte Befehle. Dasselbe könnte mit dieser doch so nett klingenden Stiftung auf uns zukommen?

Fazit aus meiner Sicht: Wir brauchen keine zusätzliche Experten-Schwafligruppe, die weltweit genau die Meinungen sammelt, die ins vorgefasste Konzept passen und die dann als ‘neutral’ oder gar ‘sachlich’ verkauft oder gar in global gültige Regeln verpackt werden. Ich habe weltweit noch keinen echten Horseman, keine echte Horsewoman angetroffen, die den Anspruch hatte ihre Vorstellung von Horsemanship und ‘welfare of the horses’ sei neutral, sachlich oder gar objektiv. Aber ich habe Hunderte kennengelernt, die hochengagiert, voller Liebe, Wissen und Erfahrung jahrzehntelang mit ihren Pferden kommunizieren auf allen Ebenen und die ihre Antennen rund um die Uhr ausgefahren haben, um das Wohlergehen ihrer Partner zu erspüren, zu erfahren und den Umgang immer wieder dem Individuum Pferd anzupassen – interessanterweise fast alles Pferdesporttreibende, kaum Freizeitgondolieres. Und ich habe tausendfach den Spruch gehört und auch selbst gesagt: «Keine zwei Pferde sind gleich. Keine zwei Pferde haben dieselben Bedürfnisse und dieselben Vorstellungen von Wohlergehen – das macht es so spannend!» Und alle Horsepeople kommunizieren mit ihren Pferden und haben nur ein müdes Lächeln für die tierfernen Laferis, die behaupten, man könne ein Pferd nicht fragen, ob es Sport machen wolle. Es braucht Horsemanship, Wachsein, Achtsamsein, Erfahrungen sammeln und austauschen, lebenslängliche Lernbereitschaft und Pferdeliebe. Festrednergeschwafel der zitierten Art hingegen hilft wenig bis gar nichts.

Christoph Meier

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One Comment

  1. Avatar marpa

    ute

    Dem ist nichts hinzuzufügen,oder gerade deshalb könnte jeder Pferdemensch viele Beispiele aufzählen ,weshalb das Pferdewohl nur individuell zu betrachten ist.
    Die gepriesenen Offenställe, als artgerecht empfohlen zum Beispiel, viele Pferde mögen ihre individuellen Boxen ,sie fühlen sich gestresst ,wenn sie sich nicht zurück ziehen können.
    Dies nur als plakatives Beispiel.

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