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Vor kurzem ging ein Rauschen durch den Hippo-Blätterwald, man müsse die armen Offiziellen besser vor frechen Reitern schützen. Das ist sicher richtig. Aber umgekehrt gilt dasselbe. Es sind aber weniger freche als inkompetente oder überhebliche Offizielle, vor denen man die Reiter schützen sollte. Aktuelles Beispiel am 8.7.23 in Dübendorf. Mehrere Prüfungen der Kategorie B1, also eine Prüfung für Newcomers, Anfängerpaare, junge, noch etwas grüne Pferde, und die Reiter teilweise erst mit dem Brevet ausgestattet. Ein Ambiente, das nach freundlichen, wohlwollenden und fachkompetenten Offiziellen verlangt, die vom Crossbau bis zur Bewertung der Leistungen für die Reiter, für die Pferde, für den Sport agieren sollten.

Am Turniertag war mehr Wasser drin. Im B1 mussten die Pferde hier links im Bild ins Wasser rein und dann rechts, im nächsten Bild sichtbar, über ein ganz winziges Baumstämmli rausspringen.

Hier das Aussprüngli Nummer 9, der winzigste Hupf des ganzen Crossparcours

Diesmal war es nicht so. Der bekannte kleine Teich war zwar freundlich in den Geländekurs integriert: unausgeflaggter Einstieg, bei dem man also auch etwas üben, zögern, rumzappeln durfte, ohne gleich mit einer Verweigerung und 20 Punkten bestraft zu werden. Eben genauso, wie es schweizweit und mutmasslich auch in vielen anderen Ländern gemacht wird für die Kleinsten, die Einsteigerkategorie. In der nächsthöheren Stufe B2 kann man den Einstieg ausflaggen, dann zählt das Rumzappeln, sobald das Pferd einen Schritt zurück macht. Und spätestens in der B3 verlangen die meisten Crossbauer einen Sprung ins Wasser. Hier im B1 war es also freundlich ohne Fanions beim Einstieg, und am Ende des Teichs hatte es einen winzigen Baumstamm als Aussprung Nummer 9, den man auch im Trab, ja sogar aus dem Schritt bewältigen konnte. – Nur wurde die freundliche Anlage hier unfreundlich, falsch, reglementswidrig bewertet – und dies nicht einmal konsequent. Einige, aber nicht alle, die einen Schritt rückwärts machten oder rumzappelten vor dem Eintritt ins Wasser, wurden mit 20 Punkten bestraft, was einer jungen Reiterin die Klassierung kostete.

Ein darauf angesprochener offenbar nicht mit genügenden Reglementskenntnissen ausgestatteter Co-Crossbauer brachte ein Argument aus den 80-er Jahren des letzten Jahrhunderts, als es noch sogenannte Strafzonen gab: 20 Meter vor, 10 Meter hinter und je 5 Meter neben dem Hindernis wurden damals Vorkommnisse geahndet. Wer also beim Landen in Wohnungsnot geriet, setzte alles daran, noch irgendwie aus der Strafzone zu schliddern und, wenn es dann doch dazu kam, dass er den Boden berührte mit den Füssen, strafpunktfrei wieder aufzusteigen. Heute gilt längst: «Der Weg zwischen den Hindernissen ist frei!» und „Sturz bedeutet Elimination.“ Der Crossbauer behauptete nun, der Wassereinstieg sei weniger als 20 Meter vom Aussprung 9 entfernt, also gelte der Sprung als angeritten und der Stopp auf dem Weg zum Sprung müsse bestraft werden. Davon steht allerdings nichts im aktuellen CC-Reglement des SVPS:

8.3.6 Cross – Fehlerbewertung an den Hindernissen

Fehler werden nur geahndet, wenn sie in Zusammenhang mit dem Überwinden eines Hindernisses (Anreiten, Sprung, Landung) stehen. Der Hindernisrichter entscheidet.

8.3.7 Cross – Definition der Fehler (siehe Anhang C)

1. Verweigerung (Refus): Ein Pferd hat den Sprung verweigert, wenn es vor dem Hindernis oder dem zu überwindenden Element (höher als 30 cm) anhält. Als weitere Verweigerung gilt ein erneutes Anhalten nach nochmaligem Anreiten. Bei Hindernissen von 30 cm oder weniger wird ein Anhalten, gefolgt von einem unmittelbaren Sprung nicht bestraft. Wenn das Anhalten allerdings mehrere Sekunden andauert, gilt das Hindernis als verweigert. Das Pferd kann einen Schritt seitwärts machen, aber sobald es auch nur mit einem Bein eine Rückwärtsbewegung macht, gilt dies als Verweigerung. Als weitere Verweigerung gilt, wenn sich das Pferd vor dem Sprung erneut rückwärts bewegt, oder wenn das Pferd nach nochmaligem Anreiten erneut anhält und rückwärts tritt

2. Ausbrechen: Ein Pferd bricht aus, wenn es dem Hindernis ausweicht, das der Reiter angeritten hat. 3. Volte: Ein Pferd wird mit einer Volte bestraft, wenn es, auf den Sprung gerichtet, sein eigenes Geläuf vor dem zu überwindenden Sprung oder vor dem letzten zu überwindenden Element eines Hindernisses kreuzt.

Wer nach dem im Titel in Klammer erwähnten Anhang C sucht, wird allerdings enttäuscht. Anhang C ist eine Tabelle zur Berechnung der Gewinnpunkte. Es ist also auch auf unsere Reglemente nicht 100%ig Verlass. Doch immerhin steht kein Wort von dem, was der Crossbauer behauptet, denn kein Pferd bremste wegen des mit Abstand kleinsten Sprüngleins Nummer 9. Nur fällt die Fehlerbewertung ja auch nicht in seinen Verantwortungsbereich. Das ist Sache der Jury. Ein weiteres Argument gegen die These, der Wasseraussprung sei angeritten worden: Aus dem Wasser raus ist eigentlich kaum je ein Problem. Die Pferde stoppten natürlich, weil sie – eigentlich recht vernünftig – dem nicht sichtbaren Boden noch nicht trauten. Elitechef Dominik Burger erinnerte uns immer daran, dass es die misstrauischen Pferde waren, die in der Evolution überlebt haben. Es braucht meist recht lange, bis man mit vertrauensvoller Arbeit dieses Misstrauen überwunden hat und das Pferd davon ausgeht: «Dort, wo mich der Reiter hinführt, kann ich auch sicher stehen, landen, weitergehen.»

Obwohl die noch etwas unerfahrene Jurypräsidentin vom TD und anderen (auch von mir) höflich auf die falsche Entscheidung aufmerksam gemacht wurde, hatte sie die Grösse nicht, den Fehler einzugestehen und die Rangliste zu korrigieren. Der Schreibende erhielt nicht einmal eine Antwort, der TD eine unzulängliche. Reiter, die kleinste Reglementsverstösse begehen, können mit gelben Karten bestraft oder gar gesperrt werden. Sollte dies nicht auch für Offizielle gelten, die Fehler begehen und sie weder eingestehen noch korrigieren? Könnte man eine solche Jurypräsidentin nicht schonend nochmals auf die Schulbank schicken?

Doch nicht genug damit. Eine weitere Offizielle zeigte sich gleichentags in der B1 wenig kompetent. Sie spielte die ‘Aufsichtsperson Abreitplatz’, die im CC-Reglement unter 2.3.7 vorgesehen ist. Die Dame befahl einer Reiterin kurz vor dem Start, sie müsse die Sporen ausziehen, sie seien zu lang und würden ‘nach oben’ zeigen. Dies offenbar ohne Kenntnis der entsprechenden Reglementsparagraphen. Das gültige CC-Reglement 2023 verweist unter 7.4. (S.15) zum Thema Sporen lakonisch auf die FEI Eventing Rules 538.1.3. Dort steht in der offiziellen FEI-Sprache Englisch Folgendes:

538.1.3 Spurs

a) General – Spurs are optional for all three Tests. Spurs capable of wounding a Horse are forbidden. Spurs must be of smooth material (metal or plastic). If there is a shank it must not be more than four centimetres long (the overall shank must be measured from the boot to the end of the spur) and must point only towards the rear. The end of the shank must be blunt to prevent wounding a Horse. If the shank is curved, the spurs must be worn only with the shank directed downwards. Metal or plastic spurs with round hard plastic or metal knobs “Impulse spurs“ and “Dummy spurs” with no shank are allowed.

Die Sporen dürfen also nicht mehr als 4 Zentimeter lang sein. Die Sporen der Reiterin waren 3.5cm und hinten abgerundet. Aber die Aufsichtsperson hatte weder einen Messstab noch kannte sie das Reglement, noch hatte sie ein brauchbares Augenmass, noch scheint ihr der alte Rechtsgrundsatz ‚in dubio pro reo‘ vertraut: im Zweifel für den Angeklagten..

Dann findet sich nirgends eine Aussage zu einer allfälligen leichten Neigung nach oben oder unten, also einer Abweichung von der völligen Parallelität zur Stiefelsohle, in diesem FEI-Text. Die Sporen müssen nur nach hinten zeigen und, falls sie gebogen sind, nicht verkehrt rum getragen werden mit dem Bogen nach oben (das schliesst die früher von langbeinigen Dressurreitern auf kleinen Pferden gern benutzten sogenannten Schwanenhalssporen aus). All dies war nicht der Fall, aber die Stiefel der Reiterin hatten hinten Noppen, die das Verschnallen der Sporen genau parallel zur Stiefelsohle unmöglich machten.

Wichtig ist doch die Idee hinter der ganzen Sporenregel: sie dürfen das Pferd nicht verletzen. Der Kraftaufwand, mit dem jemand den Sporen ins Pferd rammt, die Dicke von Fell und Haut je nach Rasse und Typ, all dies ist nicht einfach in messbare Regeln zu verpacken. Deshalb gibt es auch die Regel ex post: kommt ein Pferd mit einer blutigen Sporenwunde ins Ziel, wird das Paar eliminiert. Da der Weg in Dübendorf vom Ziel über den Abreitplatz führte, hätte eine erfahrenere und sportfreundlichere Offizielle der Reiterin gesagt, sie solle ihr Pferd nach dem Zieleinlauf kurz bei ihr zeigen. Das Theater, das diese Aufsichtsperson kurz vor dem Start wegen eines vermeintlichen Reglementsverstosses vollführte, ohne das Reglement zu kennen oder wenigstens abzurufen, wäre doch auch eine gelbe Karte wert, oder nicht?

Sie agierte auch sonst überaus ungeschickt. Als eine Reiterin stürzte und sich das reiterlose Pferd gemütlich Richtung Abreitplatz begab und von einem Zuschauer behändigt wurde, übernahm sie es und führte es zurück in den Platz genau vor Sprung 1 – und behinderte damit den Start der nächsten Konkurrentin. Vielleicht auch zurück auf die Schulbank?

Den Aufsichtspersonen steht neu auch ein CC-Stewarding-Handbuch zur Verfügung, das allerdings mit Gummibegriffen wie ‚pferdegerecht‘ arbeitet. Wie soll eine Person, die ein Pferd nicht kennt, gar kein wirklicher Horseman, keine Horsewoman ist, sondern einfach ein paar Kürslein besucht hat und vielleicht selbst gar nie Grosses geleistet hat zu Pferd, wie soll so jemand beurteilen können, ob ein Reiter ‚pferdegerecht‘ unterwegs ist, ob er auffällig oder eben ’nicht pferdegerecht‘ reitet? Es hat zwar eine durchaus brauchbare Tabelle mit Erläuterungen zu den drei Oberbegriffen, aber es bleibt trotzdem delikat, diese Entscheidung in die Hände teils wenig erfahrener Kursabsolventen zu legen, v.a. wenn sich die JP dann auch nach als wenig erfahren erweist. Denn an dieser Entscheidung hängt alles, was zum Machtrausch bis hin zur gelben Karte und zum Ausschluss des Teilnehmers führen kann. Leider hat es in diesem Handbuch nicht nur orthographische Fehler wie das kryptische ‚teigen der Zähne‘, sondern auch sachliche: so werden die von der FEI explizit erlaubten Kunststoff-Sporen im Handbuch nicht als erlaubt aufgeführt.

Fazit: Fehler kommen vor. Bei Reitern wie bei Offiziellen. Kein Grund zur Aufregung. Aber man sollte sie eingestehen, die Verantwortung dafür übernehmen und wo immer möglich korrigieren. Und so dankbar wir allen Veranstaltern sind, dass sie den Aufwand auf sich nehmen, ein CC-Turnier auszurichten, so ist trotzdem ehrenamtliche Tätigkeit kein Freipass für mangelnde Qualität und schon gar nicht für schnoddriges Anfauchen von Teilnehmern unmittelbar vor dem Start. Reglementskenntnis darf von einem Offiziellen erwartet werden. Minimal sollte er wissen, wo er nachschauen muss. In digitalen Zeiten eigentlich ein Kinderspiel.

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