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Verwechslung juristischer Begriffe und Tatbestände

«Strafsache Pferdevermittlung» – unter diesem etwas reisserischen Titel auf dem Cover der PferdeWoche Nr. 9/23 vom 8. März folgt ein m.E. juristisch in mancherlei Hinsicht mangelhafter Artikel von Angelika Nido Wälty (https://www.pferdewoche.ch/news/ausgaben/article/wer-pferde-vermittelt-kann-sich-strafbar-machen/ ). Der Artikel vermittelt ein völlig unrealistisches Bild des Alltags. Der Polizist Markus Jenni, leider der einzige selbsternannte ‘Experte’, den die Autorin beizieht und den viele als emsigen Guru der – dem hysterischen Zeitgeist gehorchend – mitunter obligatorischen Pferdetransportkurse kennen, möchte nun auch jeden, der irgendwie einen Tipp gibt und damit Pferdeverkäufer und Pferdekäufer zusammenbringt, in seine Viehhändlerkurse zwingen. Aus der engen Sicht eines Polizisten, der wahrscheinlich am liebsten jeden Schritt und jeden Atemzug der Staatsinsassen unter Überwachung und jeden Schritt neben der Spur unter schwere Strafe stellen möchte, ist diese Angstmacherei mit der ‘Vermittlung als Straftatbestand’ natürlich nachvollziehbar, aber nichts destotrotz gottlob heute noch völlig fern von unserer geltenden Rechtsordnung.

Es ist also schmunzelnde Entspannung angesagt: Jeder darf grundsätzlich alles vermitteln, Männer, Frauen, Häuser, Kälber, Autos, Beizen, ja auch Ideologien, Gesinnungen, Haltungen und nicht zu vergessen: Bücher https://marpa.blog/books/ – bei letzteren stehe ich sogar für die Qualität ein, aber nicht dafür, dass bildungsferne Leser keine Probleme haben könnten! Denn vermitteln heisst nicht anbieten oder verkaufen. Es heisst nur als Mittler, ‘in der Mitte Stehender’, zwei andere zusammenbringen, die dann vielleicht einen Vertrag oder eine andere Beziehung eingehen. Der Pferdevermittler ist sozusagen ein kleiner Heiratsvermittler, ein Datingportal. Ein gutes Beispiel ist die Onlineplattform horses.ch – sie vermittelt nicht nur zu kaufende Pferde, sondern alles Mögliche rund ums Pferd, auch Pferdehändler, die ja alle auch wiederum Vermittler sind. Da geht es also bereits um zwei Ecken rum. Das Team von horses.ch bestünde dann teilweise aus Vermittler-Vermittlern. Und alle – restlos alle – möchte unser Pferdepolizist im Vääächhändlerkurs – unter Strafandrohung bei Fernbleiben.

Ganz delikat wird’s wenn, wie hier bei ‚Bauer ledig sucht‘, die Pferde die Kuppler, die Vermittler einer wie auch immer gearteten Beziehung sind – unter Rösselern haben die Pferde sehr häufig eine Vermittlungs- und Anbahnungsfunktion! Im schlimmsten Fall vermitteln sie einen Vertrag – je nach Sichtweise – über ‚lebenslange Knechtschaft‘. Ich würde diesen hier gezeigten Vermittler-Pferden allerdings zuerst einmal einen ‚coup de brosse‘ und etwas Futter geben, damit sie etwas verführerischer glänzen, aber offenbar hat’s ja auch so geklappt!

Damit verliert die Idee von der grauslichen ‘Strafsache Pferdevermittlung’  etwas an Schreckenspotenzial und gewinnt dafür eine Portion Lächerlichkeit. Sämtliche Produkte und Dienstleistungen werden laufend in diesem Sinne vermittelt. Vermittlung ist der Normalfall; dass sich Käufer und Verkäufer direkt finden, auch völlig ohne vermittelnde Werbung und Kommunikation, ist in unserer stark diversifizierten Marktwirtschaft die Ausnahme. Um zu vermitteln, braucht man auch nicht ‘registriert’ zu sein, wie der Artikel insinuiert. Die banalste und bekannteste Form ist die Werbung, die in den meisten Fällen von sogenannten ‘Dritten’ produziert und lanciert wird, um Anbieter und Konsument zusammenzubringen. Die Drohung, man mache sich strafbar, wenn man ohne Viehhandelspatent irgendeinen Pferdeanbieter auf der Welt mit irgendeinem interessierten Pferdekäufer zusammenbringe, entbehrt jeder Grundlage. Es heisst ja gerade Viehhandels– und nicht Viehvermittlungspatent. Auch der Satz, die bösen Vermittler würden eine Provision einkassieren und sich dann ‘aus der Verantwortung ziehen’, beruht auf der Verwechslung von Vermittlung und Handel. Der Vermittler, der im Auftrag eines Pferdesuchenden ein Pferd sucht und findet und im besten Fall Verkäufer und Käufer zusammenbringt, haftet nur für die Sorgfalt bei der Erfüllung seines Auftrags (OR 398), so er denn vom einen oder andern einen expliziten Auftrag erhalten hat. Und diese Haftung besteht kaum je darin, dass er für das bei irgendeinem Verkäufer gefundene Pferd schriftliche Zusicherungen dafür abgibt, dass es ‘keine Probleme geben werde’. Er vermittelt nur das Zusammenfinden von Verkäufer und Käufer. Zur Vermittlung muss man nicht ‘befugt’ sein und man macht sich auch nicht strafbar, wenn man vermittelt. Und die möglichen ‘Probleme’, die sich bei jeder Transaktion einer Dienstleistung oder eines Produktes ergeben können und für die der Verkäufer haftet, sind gesetzlich geregelt und im übrigen Sache des Kaufvertrags. So regelt OR 21 beispielsweise den Tatbestand der Übervorteilung, der eingeklagt werden kann – und von dem, der sich einen Vorteil daraus verspricht, bewiesen werden muss. Etwas, was moderne Sozialstaatinsassen gern vergessen. OR 23 ff regelt weitere Vertragsmängel, insbesondere auch die absichtliche Täuschung (OR 28).

Tränendrüsenreich, aber völlig unjuristisch ist der Versuch, den bösen Vermittlern eine Verantwortung unterzujubeln dafür, dass der Käufer dann auch grandios zurechtkomme mit dem empfohlenen Pferd. Was für eine Verantwortung soll denn der Vermittler des Vertrages zwischen Käufer und Verkäufer haben für den späteren Gebrauch des vermittelten Produkts oder für die Qualität der vermittelten Dienstleistung? Er tritt ja sofort in den Hintergrund, wenn er seinen Auftrag, Käufer und Verkäufer zusammengebracht zu haben, erfüllt hat. Wenn dem Verkäufer die Vermittlung etwas wert ist, so bezahlt der dafür. Werbung ist bekanntlich in aller Regel nicht gratis. Bei der Höhe dieser Entschädigung für das Ansprechen, Finden und Motivieren des Käufers regelt sich in unserer freien Marktwirtschaft zum Glück immer noch über Angebot und Nachfrage. Und für die Qualität des Verkauften hat der Verkäufer einzustehen, und zwar genau im Masse dessen, was er im Kaufvertrag versprochen hat. Der Vermittler würde dann belangt werden können, wenn er aufgrund eines Auftrags des Käufers schriftliche Garantien für Eigenschaften des Pferdes abgegeben hätte, das er beim Verkäufer gefunden und dem Käufer zum Probieren empfohlen hat. Aber es ist kaum denkbar, dass ein Vermittler oder auch ein Verkäufer so dumm ist, dass er für das Zurechtkommen eines Käufers mit irgendeinem Pferd schriftliche Garantien abgeben würde. In der freien Marktwirtschaft herrscht das Primat der Eigenverantwortung. Jeder Käufer ist selbst verantwortlich für das Trennen von nachprüfbaren Qualitäten eines Produkts und dem Geschwafel aller Anpreiser aller Produkte und Dienstleistungen der Welt. Wir werden täglich mit Werbung und Anpreisungen überschwemmt und lernen von Kindsbeinen auf, dass man immer genau hinhören muss, was seriös und was Werbegeschwätz ist. Die ganz klugen Pferdehändler sagen gar nichts. Sie zeigen das Pferd, reichen dem Interessenten den Pass, lassen ihn probereiten. Meist gibt es Videos, auch von Pferden, die noch nicht im Sport sind. Und von denen, die es sind, gibt es Resultatlisten, die heute nicht mehr so einfach gefälscht werden können. Der kluge Käufer lässt auch einen Ankaufsuntersuch durch den Tierarzt seiner Wahl machen. Es ist heute also leichter denn je, die Eigenverantwortung als Pferdekäufer wahrzunehmen.

Werde Viehhändler!

da ist es natürlich patent, wenn man ein Patent hat…

Als Mittel gegen das drohende Damoklesschwert der Illegalität eines Vermittlungstipps wird jedem, der es wagt, einem Freund einen Tipp zu geben, wo er sein Wunschpferd finden könnte, das Bestehen eines teuren Kurses nahegelegt, worauf er – erfolgreiches Absolvieren vorausgesetzt – dann als ‘gewerbsmässiger Viehhändler’ dieser Tätigkeit offiziell nachgehen dürfe.

Vermittlung versus Handel

Entscheidend ist die Verwechslung von Vermittlung und Handel. Wäre es dasselbe, bräuchten wir die beiden Begriffe gar nicht. Mit dem eingangs eingefügten Link zum Artikel der PferdeWoche vermittle ich der PW zusätzliche Klicks, was sich positiv für ihre Werbeeinnahmen auswirkt. Die Autorin wird vielleicht von empathischen Zeitgenossen in einen ‚Rechtsanwalt in 14-Tagen‘-Lehrgang eingeladen und Polizist Jenni wird mit Anmeldungen für die Viehhandels- und Pferdetransportkurse überhäuft. Und nun sollte ich geradestehen für die Qualität dieser vermittelten Produkte?

…das vermittelte Pferd ist doch RICHTIG gut – trotzdem sind da Probleme entstanden!

OR 412ff regelt in wenigen Artikeln die Vermittlungstätigkeit in verschiedensten Bereichen und umfasst alle Formen des Vermittlungsgeschäftes. Vielleicht am bekanntesten ist die Vermittlung von Grundstückkaufverträgen, Miet- oder Pachtverträgen sowie Immobilienfinanzierungen (Hypothekarkredite), aber auch die Vermittlung von Arbeitsverträgen oder Handelsgeschäften jeder Art. Sie alle unterstehen dem Maklerrecht.[1]. In der zur Zeit der Entstehung des OR üblichen Rechtssprache wird der Vermittler als ‘Mäkler’ und die Vereinbarung zwischen Auftraggeber und Mäkler als ‘Mäklervertrag’ bezeichnet. Für die Pferdevermittlung gilt also grundsätzlich OR 412:

1 Durch den Mäklervertrag erhält der Mäkler den Auftrag, gegen eine Vergütung, Gelegenheit zum Abschlusse eines Vertrages nachzuweisen oder den Abschluss eines Vertrages zu vermitteln.

2 Der Mäklervertrag steht im Allgemeinen unter den Vorschriften über den einfachen Auftrag.

Damit ist auch klar, dass der Auftraggeber dem Mäkler oder Vermittler grundsätzlich eine Vergütung schuldet und die Unentgeltlichkeit die Ausnahme ist. Dennoch ist es gerade bei der Pferdevermittlung sehr häufig, dass der Auftrag gar nicht explizit an einen bestimmten Vermittler erteilt wird, sondern der Pferdesuchende z.B. per Inserat oder in den social media oder mündlich im Bekanntenkreis sein Wunschpferd beschreibt und er dann von vielen ‘Vermittlern’ auf potenzielle Kandidaten aufmerksam gemacht wird. Wenn der explizite Auftrag fehlt, ist eine allfällige Vergütung nicht geschuldet, sondern als freiwillige Zuwendung zu betrachten. Wenn der Aufwand für die Suche grösser ist, z.B. mit extensiver Reisetätigkeit und viel investierter Zeit verbunden ist, kommt es meist zu einer Vereinbarung und einem klaren Auftrag, bei dem auch allfällige Aufwandentschädigungen geregelt werden. Wie bei anderen Vermittlungen kann der Auftrag an eine vermittelnde Person auch von der anderen Seite, also vom Pferdeverkäufer kommen. Handelt es sich beim Verkäufer um einen professionellen Pferdehändler, ist es üblich, dass eine Provision vereinbart wird, die aber der Verkäufer bezahlt. Natürlich schlägt er die Provision auf den Verkaufspreis, wie das jeder andere Verkäufer auch tut, wenn er selbst die Kapazitäten oder das Knowhow nicht hat, um im Zielmarkt die Endkunden zu finden. Der Verkäufer beurteilt also auch im Pferdehandel, ob er den Endkunden selber findet oder ob er auf Vermittler angewiesen ist, und wenn ja, in welchem Masse. Je nachdem, zu was für Schlüssen er dabei kommt, bemisst er die Provision, die er für die Vermittlung zu zahlen bereit ist. Auch wenn der totale Staat wächst, so muss doch vorläufig der Vermittler irgendeiner Dienstleistung oder eines Produktes keineswegs einen Kurs als gewerbsmässiger Vieh- oder Sonstwashändler absolvieren. Er vermittelt ja nur einen Vertrag. Und wenn der Pferdevermittler fachkompetent ist und etwas von Pferden versteht, erhält er immer mal wieder einen Vermittlungsauftrag von Pferdehändlern und wird auch entsprechend dafür bezahlt.

«Handel ohne Patent ist ein Straftatbestand», heisst es drohend in einem Untertitel. Der Verkäufer haftet aber nur für schriftlich zugesicherte Eigenschaften oder wenn er den Käufer absichtlich getäuscht hat (198 OR). Kein intelligenter Verkäufer wird dem Käufer garantieren, dass er Erfolge feiern wird. Das wäre so absurd, wie wenn der Immobilienverkäufer haften müsste dafür, dass der Käufer glücklich wird und nie die Treppe runterfällt im gekauften Haus. Umgekehrt ist wohl auch kaum ein Käufer so dumm, dass er das Pferd bei einem Bösewicht kauft, den er schon in den neun Tagen nach dem Kauf nicht mehr findet oder von dem er weder den Namen noch die Adresse kennt – und dann schimpft, weil er nirgends ‘registriert’ ist. Sollte ein Verkäufer so unklug sein, schriftliche Zusicherungen abzugeben, die sich nachträglich als beweisbare absichtliche Täuschungen entpuppen, so kann der Verkäufer durchaus haftbar gemacht werden. Ein bekannter Fall betraf die Behauptung, das Pferd sei völlig gesund und habe noch nie eine OP gehabt, worauf sich später diese Zusicherung anhand der Narben von Nervenschnitten im Kronbereich der Vorderhufe als Lüge erwies (der Fall ist gerichtskundig und kann belegt werden). Sollte ein vom Käufer beauftragter Vermittler allerdings solche falschen Zusicherungen schriftlich abgegeben haben, so kann er im Rahmen des Auftragsrechts bei mangelnder Sorgfalt der Auftragserfüllung belangt werden (OR 398), falls er denn tatsächlich einen expliziten Auftrag erhalten hat. Einen ‘Straftatbestand’ haben wir also höchstens beim Verkäufer, und auch das erst, wenn wir die arglistige Täuschung beim Verkauf nachweisen können (StGB 146) Wir sollten also jederzeit sauber unterscheiden zwischen obligationenrechtlichen Haftungsfragen und strafrechtlichen Tatbeständen.

Schriftlichkeit ist keineswegs Gültigkeitserfordernis eines Vertrags

Im Artikel wird OR 1, ein ganz grundlegender Artikel des Vertragsrechts, falsch ausgelegt mit der Behauptung, mündliche Vereinbarungen seien nicht bindend, rechtlich gelte nur, was in einem Kaufvertrag schriftlich zugesichert werde. OR 11, Abs. 1 statuiert ausdrücklich: ‘Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt.’ Und weder bei der Vermittlung noch beim Pferdekauf gibt es ein Gesetz, das Schriftlichkeit vorschreibt.

Der Auktionator ist Vermittler zwischen Verkäufer und Käufer. Die Assistentin vermittelt dem Vermittler die Bereitschaft des Käufers, mitzugehen. Mir ist nicht ganz klar, ob unser Polizist jetzt am liebsten alle, den Auktionsverantwortlichen, den von diesem angeheurten Auktionator und die von letzterem angeheuerte Assistentin nicht nur in den Viehhandelskurs befehlen, sondern auch gleich noch verantwortlich machen möchte für den Erfolg des Käufers mit dem Pferd, von dem er ja zwingend erst nach Abschluss des Kaufes überhaupt Kenntnis erhält – gerade der Online-Käufer ist ja nicht einmal auf Platz.

Jeder, der schon einmal bei einer Pferdeauktion dabei war, weiss, dass das Gegenteil der Fall ist. Wenn es entsprechend kommuniziert ist, reicht bereits eine Geste, z.B. das Hochheben des Auktionsprogramms oder eines speziellen Blattes, um den Zuschlag zu bekommen und damit den Vertrag rechtsgültig werden zu lassen. Es braucht also nicht einmal eine mündliche Vereinbarung, eine Geste reicht. Das Problem des Nichtschriftlichen ist nur die Beweisbarkeit, nicht die Gültigkeit des Vertrages. Und bei der Auktion sind normalerweise so viele Zeugen zugegen, dass diese Geste, die zum Kaufabschluss führt, in der Regel leicht bewiesen werden kann. Noch weiter weg vom schriftlichen Vertrag sind wir beim Bieten übers Telefon, wo der Kunde den Telefonpartner auf Platz die mündliche Zusage kommunizieren lässt und ihn damit zu einem beauftragten Vermittler macht. Auch dass die Gewährleistung des Verkäufers allein von der Schriftlichkeit abhänge, stimmt nicht. Grundsätzlich gehen Nutzen und Gefahr im Augenblick der Kaufsvereinbarung auf den Kunden über und der Verkäufer haftet nur für schriftlich zugesicherte Mängel (OR 185). Bei absichtlicher Täuschung haftet er aber auch ohne Schriftlichkeit (OR 198). Die Schriftlichkeit ist nur deshalb so empfehlenswert, um die Täuschung leichter beweisen zu können.

Gewerbsmässige Pferdevermittler und Pferdetransporteure

Die Bemerkung im Artikel, bereits eine ‘Fahrt ans Turnier ins Ausland’ falle unter den Begriff eines ‘gewerbsmässigen Transports’, ist so allgemein gehalten falsch. Es gibt tatsächlich von Raffgier und Verblödung heimgesuchte EU-Länder, bei denen schon ein errittener Gewinn an einem Turnier ausreicht, um die Anreise als gewerbsmässigen Transport mit vielen Formularen und unzähligen Gebühren und Bussmöglichkeiten aufzuplustern. Die ‚ratio legis‘ ergibt sich unschwer. Spannend wäre es, in der Nähe des Turnierortes ferienhalber Halt zu machen und dann von dort zum Turniergelände zu reiten. Der Durchschnitts-EU-Beamte könnte geistig überfordert mit der Situation und damit suizidgefährdet sein. Aber wir gehören ja gottlob nicht zur EU und können auch anderswohin fahren, Brexit sei Dank. Diese etatistisch motivierte Verwässerung des Begriffs der Gewerbsmässigkeit hätte vor einem schweizerischen Gericht kaum eine Chance. Hier der Link zu meinem Report vom Pferdetransport-Kurs 2018, wobei inzwischen bestimmt diverse zusätzliche Regeln hinzugekommen sind, um die allpottige Wiederholung der Kurse zu rechtfertigen und Kursleiter Jenni beschäftigt zu halten: https://www.swisseventingclub.ch/Pferdetransportkurs_cm26.11.18_mitPics.pdf

Neu ist womöglich die Ausweitung der Regeln auf den Schneckentransport des Dreijährigen im Anhänger seines Spielzeugtraktors vom Salatbeet in den nahen Bach, für den er sich den Zmittag verdient. Das ist übel gewerbsmässig und der Kursleiter ist herausgefordert, seine Darlegungen kleinkindergerecht zu gestalten, vielleicht mit Lego? Denn wieso soll für Schnecken nicht gelten, was für die Hippohüs gilt?

Einstreu für die Schnecken genau gemäss Kursunterlagen! Man beachte auch die schneckenfreundliche Aufstiegsrampe hinten.

Dehnte man diese doch etwas krude Definition der Gewerbsmässigkeit auf alle anderen Dienstleistungen aus, müsste auch jeder, der mehr als einmal eine Glühbirne wechselt im Haus, zuerst einen Kurs besuchen, der ihn zum gewerbsmässigen Glühbirnenauswechsler macht. Kurz: wenn alles gewerbsmässig wäre, bräuchte es den Begriff nicht. Er dient ja gerade dazu, den professionellen Anbieter irgendeiner Dienstleistung vom rein privaten Ausüber irgendeiner Tätigkeit zu unterscheiden.

     Im Handelsrecht wird von Gewerbsmässigkeit ausgegangen, wenn eine Leistung in vielfach standardisierter und schematisierter Form regelmässig, öffentlich und ganz klar zu Erwerbszwecken angeboten wird.[2]

     Explizit geregelt ist die Gewerbsmässigkeit in Art. 100 der schweiz. Luftfahrtverordnung. Es muss ein Entgelt verlangt werden und das Angebot der Dienstleistung muss einem unbestimmten Kreis von Personen zugänglich sein. Was ja bei den häufigsten Fällen von gemeinsamen Transporten ans Turnier und bei den meisten Fällen reiner Pferdevermittlung gerade nicht der Fall ist.

Der Trick von Jenni, die engen EU-Interpretationen der Gewerbsmässigkeit und die Erwähnung von Tausch und Vermittlung im Tierseuchengesetz zusammenzuführen, um seine Viehhändlerkurse zu füllen, wird kaum vor einem schweizerischen Gericht Bestand haben. Das Tierseuchengesetz hat ja eine völlig andere Stossrichtung: dort sollen möglichst alle erfasst werden, die irgendwie Pferde von A nach B bringen, um die Verbreitung von Seuchen zu verhindern, also wird nicht abschliessend aufgezählt, wer handelt, tauscht, vermittelt etc.. Es braucht kein Studium der Rechte, um nach der ratio legis, dem Sinn und Zweck eines Gesetzes zu fragen. Gesunder Menschenverstand reicht völlig aus. Mir ist übrigens weltweit kein einziger ‘gewerbsmässiger Pferdevermittler’ bekannt, der zwar Pferde gewerbsmässig vermittelt, aber keine Pferde im Direktangebot verkauft. Sogenannt ‘professionelle Vermittler’ sind in aller Regel selbst professionelle und damit gewerbsmässige Pferdehändler, die immer dann, wenn sie das gewünschte Pferd nicht selbst anbieten können, dank ihrer Vernetzung im internationalen Pferdehandel dabei helfen, das gewünschte Pferd zu finden und es dem Kunden zu vermitteln. Sie haben wie alle Unternehmer ein grosses Interesse daran, mit zufriedenen Kunden weitere Kunden dazu zu gewinnen. Was sicher immer ein guter Tipp an die Pferdekäufer ist: ‘Trau, schau wem.’ Und ich möchte einen zweiten hinzufügen: ‘Überschätze dein reiterliches Können nicht beim Suchen deines nächsten Cracks.’

     Durchaus interessant sind die Erwägungen des Bundesgerichts zur Gewerbsmässigkeit deliktischer Tätigkeiten (z.B. BGE 116 IV 119). Was ist erforderlich, dass eine Täterschaft als ‘gewerbsmässiger Einbrecher oder Betrüger’ qualifiziert werden kann? Auch da geht es um das Erfordernis des ‘regelmässigen Einkommens’, der häufigen Wiederholung, der Erarbeitung einer immer wieder angewandten Methode und der getätigten Investitionen für die kriminelle Tätigkeit. Wenn wir diese Gedanken auf die Pferdetransporte und die Pferdevermittlung übertragen, können wir beruhigt sein und kursfrei die Geliebte auch gegen das Versprechen von Naturalgaben weiterhin ans Turnier fahren und unsere Freunde auf tolle Pferde aufmerksam machen, die im Handel sind.

14.3.2023 Christoph Meier, lic.iur.


[1] BGE 4A.508 vom 25. März 2008 handelt beispielsweise vom Vermitteln einer Geschäftssparte eines Unternehmens. Nur die private Vermittlung von Arbeitskräften fällt nicht unter Art. 412 ff. OR, sondern unter das Arbeitsvermittlungsgesetz.

[2] Prof. H.U. Vogt: https://www.rwi.uzh.ch/static/elt/lst-vogt/gesellschaftsrecht/grundlagen/de/html/handelsrecht_gewerbsm.html

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