
Mit gezielter Nachwuchsförderung können Sportverantwortliche zeigen, ob und wie sie über ihre Nasenspitze hinausdenken und -handeln. Und die Nachfrage nach unseren Angeboten gibt schon sehr rasch ein Feedback, ob wir mit den geplanten Massnahmen richtig liegen. Wenn wir Gratistrainings, Kurse, Wild Cards, Trainingslager, Zusammenzüge, Unterricht bei den besten Reitern und Fahrern des Landes oder gar internationalen Koryphäen anbieten, auch für gute Stimmung sorgen, den Teamspirit fördern und es so weit bringen, dass sich die Teilnehmer nicht nur als Konkurrenten, sondern als Teammates verstehen, die sich unterstützen und austauschen, dann erhalten wir in der Regel auch Zulauf, Fortschritt und eine stetig sprudelnde Quelle, die die besten Talente in die Kader hinaufspült. Im Springsport funktioniert dies beeindruckend, im Concours Complet ebenfalls immer besser mit ganz erstaunlichen Resultaten. Brillant auch die langjährige Praxis des ZKV mit den Lagern im NPZ, bei denen der Nachwuchs aller Disziplinen zusammentraf, sich über die Arbeit mit den Pferden hinaus kennenlernten und sich so auch disziplinenübergreifende Kontakte und Freundschaften bildeten.
Wenn es im Dressursport mit der Nachwuchsförderung etwas harzt, so liegt das bestimmt nicht nur an den Angeboten, sondern schlicht auch daran, dass die Dressurreiterei für mutige, freche, abenteuerlustige, freiheitsdurstige Kids nicht sehr attraktiv ist. Bei aller Schönheit der tänzerischen Spitzendressur schleckt keine Geiss weg, dass es die am meisten durchregulierte, von Kontrolle und totalem Gehorsam geprägte Reisportdisziplin ist. Jeder Schritt in jeder Gangart wird in Richtung, Tempo, Kadenz, Raumgriff, Losgelassenheit zu hundert Prozent vom Reiter initiiert, gelenkt, beschränkt, kontrolliert. Die Freiheit des Pferdes, aber auch des Reiters tendiert gegen Null. Spass, Unvorhergesehenes, ja gar Wildes, Gewagtes ist nicht vorgesehen und wird, wenn je etwas in diese Richtung geschieht, sofort unterdrückt. Diese Welt spricht entsprechend charakterlich strukturierte Menschen an. Auch wenn ich jetzt mutmasslich mit einem Shitstorm rechnen muss – wer mich kennt, weiss, dass mir das piepegal ist – wage ich die These, dass es nicht die Mutigsten, nicht die Abenteuerlustigsten sind, die sich ausschliesslich der Dressur verschreiben. Der Kick der Macht, der totalen Kontrolle über das grosse, kräftige Tier mag bei vielen Teil der Motivation sein. Aber die Tatsache, dass man auch mit einem blinden Pferd Dressur reiten kann, zeigt, dass es – sowohl tatsächlich wie metaphorisch – keine Beziehung auf Augenhöhe ist. Oben der Beherrscher, der jede kleinste Bewegung, ja sogar das Stillstehen total kontrolliert, unten das im Idealfall kadavergehorsame Pferd, das in jedem Augenblick genau das zeigt, was der es Beherrschende abruft. Diese ausnahmslose Machtstellung ist aber psychologisch meist ein Zeichen von Angst und Schwäche. Denn Freiheit des Partners ist für den Schwachen gefährlich. Die Kontrolle könnte ihm entgleiten, das Pferd könnte einen Satz in irgendeine Richtung machen, die nicht vorher befohlen wurde. Und schon der kleinste Sprung über das kleinste Hindernis ist ein Moment der Freiheit, der Lockerung der totalen Kontrolle. Natürlich gibt es grandiose Dressurreiter, die aber in aller Regel nie nur Dressur ritten. Rainer Klimke war Olympiateilnehmer in der Vielseitigkeit genauso wie seine Tochter Ingrid. Dressurschweizermeisterin Tiggy Lenherr ritt in ihrer Jugend in England Eventing auf hohem Niveau, Olympiadressurreiterin Barbara von Grebel ritt in allen Disziplinen auf hohem Level, Springen S, Vielseitigkeit internationale Dreistern. Andrina Suter und Estelle Wettstein sind auch brillante Springreiterinnen – Andrina hab ich sogar mal zu einem CC-Start überredet: sie gewann mit Abstand! Das sind alles Reiterinnen, die mit ‚Freiheit und Abenteuer‘ etwas anfangen können und auch ihren Pferden eine gute Portion Freiheit gönnen.
Wo bleibt die Geschmeidigkeit im Denken und Handeln?
Wie kann eine Sportdisziplin, deren Top-Stars ihre Pferde in schönster Geschmeidigkeit tanzen lassen, so steif, so erstarrt, so unflexibel, so freiheitsfeindlich sein? Ist es, weil nur Ausgemusterte, die es selbst im Sattel nicht mehr bringen, die Funktionärslaufbahn einschlagen? Oder sind es die – im FEI-Bereich vielleicht fast noch schlimme – die selbst überhaupt nie etwas im Sattel gezeigt haben? Verknöcherte Bürokraten, die voller Neid den noch jüngeren, geschmeidigeren Wesen den Tag verderben wollen? So nach dem Motto: ‚Wenn es mir schon schlecht geht, soll es denen nicht besser gehen!‘ Wie auch immer, auf jeden Fall sind grosse Teile der Dressurbranche von Macht- und Kontrollfreaks der eher ängstlich-schwachen, freiheitsfeindlichen Sorte dominiert, beileibe nicht nur in der Schweiz: Alles, was neu ist und nicht schon vor zweieinhalbtausend Jahren von Xenophon genau so gemacht und beschrieben wurde, ist grundsätzlich verdächtig und mit grosser Skepsis zu betrachten.
Ein paar kleine Beispiele:
- nur die Dressurfritzen brauchten ein gefühltes halbes Jahrhundert, bis die Nathe-Kunststoffgebisse erlaubt wurden am Turnier. Tja, Xenophon kannte offenbar den Kunststoff noch nicht;
- ab einer gewissen Stufe waren Sporen obligatorisch (!), ab M-Programmen MUSSTE man mit Kandare reiten; als wir vor den OS 96 Atlanta vom Equipenchef angehalten wurden, M-Springen und M-Dressur zu reiten, brauchte es eine Sondersitzung der TK Dressur für die weltbewegende Entscheidung, ob wir unsere Programme auf Trense reiten dürfen. Die einfachste Lösung, uns h.c. reiten zu lassen, gibt es in der Dressur nicht; auch das ein deutliches Zeichen, wie verbohrt, unflexibel und in ihren Verboten und Reglementen festgefahren diese Branche ist – und sich wundert, wenn sich so Wenige für sie interessieren, weder als Reiter noch als Zuschauer. Der alte Witz ist leider bitterer Turnieralltag: im Springen kennen alle Zuschauer den Reiter; in der Dressur kennt der Reiter alle Zuschauer…

- die verrücktesten und messerschärfsten Gebisse sind erlaubt, aber bitless zu reiten – was sogar im internationalen Springsport zu sehen ist – geht natürlich nicht bei den wenig pferdefreundlichen Dressur-Reglementierern. Anstatt die zu beglückwünschen, die ein schönes Programm sogar am Halfter zeigen, werden sie rausgeschmissen, nicht zugelassen. Wie verbohrt, wie borniert, wie stur muss man sein, um Leute, die mit weniger Zeugs am Kopf ein Pferd übers Genick reiten und vorstellen können, vom Sport fernzuhalten? Die allerängstlichsten Weicheier kommen bestimmt mit der Sicherheit: man wisse ja nie, ob die dann ihre Zossen auch im Griff hätten, wenn der Wind übers Viereck fege. Dabei ist es genau umgekehrt. Wer bitless ein sauberes Programm zeigen kann, beweist ja damit, dass er keine Gewaltmittel braucht, dass er ein Vertrauensverhältnis hat, das dem überlegen ist, der nur mit festgezurrter Kandare das Viereck betritt;
- als die Möglichkeit, nach Nennschluss Startplätze zu suchen und anzubieten, bereits längstens bestens lief im Springsport und die Teilnehmerfelder voll hielt, war es bei den Dressurheinis noch lange nicht möglich – Xenophon hatte schliesslich noch kein Netz…
- wahrscheinlich dürfen Dressuren bis in alle Ewigkeit nicht mit Gamaschen oder Bandagen geritten werden, obwohl gerade die Pferde mit grossen Bewegungen am ehesten gefährdet sind, sich mal an die eigenen Beine zu hauen. Aber das Misstrauen innerhalb der Branche ist offenbar abgrundtief, es könnten Bleigewichte, ätzende Flüssigkeiten wie Terpentin oder packweise Nägel drin eingewickelt sein. Wie wenn man das nicht am Ausgang leicht überprüfen könnte. Dass solcher Schwachsinn dem vorgespielten Theater, alles und jedes für das Wohl des Pferdes zu tun, zutiefst widerspricht, kümmert keinen. Lieber werden die vor Heuchelei triefenden Wettbewerbe gefördert, wer sein Pferdchen auf dem Abreiteplatz am häufigsten geliebstreichelt hat.
- Überall, zugegeben nicht nur auf Dressurplätzen, rennen heute schlecht gelaunte Altfunktionäre herum mit ihrem Nasenbandprüfgerät, mit dem Millimetermass zur Messung der Sporenlänge und machen Kontrollen, ob denn auch der Namenszug auf der Reithose in der Vereinsdressur nicht zu gross geraten sei. Am unappetitlichsten sind die, die diese Stimmungskillerjobs mit an die Stasi erinnerndem Übereifer machen, in der Meinung, auf diese Weise, mit immer mehr Regeln, Verboten, Massnahmen, Einschränkungen und humorloser Jagd nach jedem noch so banalen Regelverletzerli die Welt, insbesondere die pr-mässig etwas angeschlagene Pferdewelt, zu retten.
Tag der Jugend – nett, aber eher erfolglos
Und damit wären wir endlich beim Tag der Jugend, einer netten Idee, ursprünglich vom OKV initiiert, um den lieben Kleinen Freude an der Dressur zu vermitteln. Die über Jahre im Rahmen des CC Dübendorf angebotene Führzügelklasse war wohl das einzige, was sowohl Teilnehmern wie Zuschauern riesigen Spass bereitete. Die Kids sassen bunt angezogen auf toll und phantasievoll herausgebrachten Ponys, die Väter oder Mütter mussten nebenher rennen, jedes Mal auch mit besonderem Gaudi durch den Teich. Das Gekicher und Strahlen der Kinder, die es genossen, dass sich zur Abwechslung mal die Eltern abrackern mussten, war unbezahlbar. Aber am richtigen Tag der Jugend ist davon wenig zu spüren. Da wird vor allem darauf geschaut, dass die Hosen, das Jackett und der Helm von Kind und Mama perfekt zusammenpassen. Wundert sich da jemand, dass eine Familie mit mehreren Kindern, die ständig aus den Klamotten rauswachsen, einmal und nie wieder mitmacht? Dann darf ein Kind – und hier überschlägt sich die Renovationsbedürftigkeit dieses schwachen Konzepts – nur an einer einzigen Prüfung starten. Steht selbstverständlich irgendwo in einem tief versteckten Reglement. Anmelden und einzahlen darf es mehrere Prüfungen. Aber nach der ersten kommt dann eine dieser fleischgewordenen Paragraphen-Walküren hinter dem Richtertisch hervor und verkündet dem Kind, dass es die zweite Prüfung nicht mehr reiten dürfe, aber auch das Nenngeld nicht zurückkriege.

Wir machen unseren eigenen ‚Tag der Jugend‘ 🙂
Dass sich Kind und Eltern oder Betreuer schwören ‚Tag der Jugend – nie wieder‘, kann kaum erstaunen. Der Grund für diese Engstirnigkeit ist nicht etwa, dass die Felder zu voll wären. Im Gegenteil, heute in Buchs waren es gerade mal 16 Kinderleins, die die Dressuraufgabe bestritten und dann wieder nach Hause entlassen wurden. Nein, man will ‚ums Verrode‘ vermeiden, dass ein allzu talentiertes Kind sich doppelt für das Jahresfinale qualifizieren könnte. Da betreibt eine Familie also einen Riesenaufwand, reist womöglich durch die halbe Welt, um dann vier Minuten lang ein einziges Programm zu reiten. Dass es den meisten gar nicht um eine Finalquali geht, sondern viel mehr darum, erstmals mit einem vielleicht unerfahrenen Pony oder Pferd an einem fremden Ort die drei Grundgangarten zu zeigen ohne übers ‚Hägli‘ rauszuspringen, kommt den Reglementswütigen gar nicht in den Sinn.
Schlimmer scheint mir aber an diesem Konzept, dass die Kinder wenig bis nichts lernen. In allen anderen Disziplinen wird Unterricht geboten, Unterstützung, die Kids kommen reich befrachtet aus Zusammenzügen, Trainings, Kursen und Lagern zurück und sind motiviert, alles umzusetzen. Nach einem Tag der Jugend bleibt bestenfalls die Bestätigung, dass man die teuersten Klamotten präsentieren konnte. Dass dieses Konzept wenig bringt, zeigen die mageren Junioren- und Jungreiterfelder, wenn es sie überhaupt irgendwo gibt.
Verbesserungsvorschläge
Nie nur kritisieren, immer auch Ideen präsentieren – so lautet unsere Devise. Als erstes könnte man bei den anderen Disziplinen in der Schweiz etwas abkupfern, die es alle besser machen, also die genannten Angebote, bei denen die Kids etwas lernen und auch was erleben – etwas ‚Action‘ eben. Dann könnte man ins Ausland gucken und fände zum Beispiel die geniale Einrichtung der Teamwettbewerbe. Meist sind sie für junge Pferde angeboten, aber genauso gut kann man sie für Kinder bis 16 ausschreiben. Zu dritt ins Viereck reiten, das routinierteste Paar voraus, dann ein paar einfache Figuren in den drei GGA, bei denen die Spitze immer wieder mal wechselt, bis alle mal vorn waren. Eine halbe Stunde später ein zweiter Auftritt mit anderer Reihenfolge beim Einreiten und etwas anspruchsvolleren Figuren. Danach ausserhalb des Vierecks noch ein oder zwei lustige Gymkhana-Aufgaben.

Eine weitere Möglichkeit, die Attraktivität für Kinder und Jugendliche zu erhöhen, ist die Kombination mit anderen Sportarten. Vierkampf macht das ja schon sehr gut. Eingepackt in Springen, Schwimmen, Laufen nehmen die Kids die Dressur mehr oder weniger locker in Kauf.
Der Kombinationsphantasien sind keine Grenzen gesetzt:
- ein Dressurprogramm und ein Riesenslalom (gabs früher mit Springen kombiniert in Emmeten)
- Dressur und Halfpipe

- Dressur und Veloparcours
- Dressur und Voltige
- Dressur und Klettern

- Dressur und Breakdance
- Dressur und Tischtennis (der bessere kommt weiter, wie beim Studententurnier)
- Dressur und Penaltyschiessen
- Dressur und Wasserski

- + ein paar Ideen meiner Reitgirls:
- Dressur auf Zeit – der schnellste, der die geforderten Gangarten einhält, gewinnt, kombiniert mit einem Auto-Parcours auf Zeit – es gibt ja inzwischen auch Minicars für ganz Kleine

- Dressur und Inlineskate-Rennen
- Dressur zu Pferd, dann das Programm zu Fuss im Volltempo, also ‚jump and run‘ in Dressurform
- Mannschaftsdressur und dann Volleyballturnier im Knock-Out-System

- Kombinierte Prüfung Dressur und Springen speziell für Kids, falls es das nicht schon gibt
- das Beste gibt’s ja gottlob bereits: CC, also Dressur, Springen und Gelände kombiniert mit speziellen Prüfungen für Junioren bis 18!
Stellt euch nun vor, die helvetischen Dressurverantwortlichen würden wider Erwarten auf eine dieser Ideen einsteigen und mir zeigen, dass sie nicht nur innovativ, sondern sogar mit einer Prise Humor gesegnet sind. – Die Wetten laufen, aber es würde Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis die in Stein gemeisselten, mehrtausendjährigen, staubtrockenen, freudlosen Reglemente der Dressurheinis geändert wären – tja, wer kann denn heute noch mit dem Meissel umgehen? – Aber wieso nicht etwas für unsere Ururururururenkel tun? Wir bleiben dran.

Wenn man weiss, dass es nachher noch ins Gelände geht…