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Kurze Einführung in die Kunst, unglücklich zu sein

Immer wieder treffe ich zu meinem Entsetzen auf Leute, die es wagen, in einer frühkindlich-naiven Art fröhlich zu sein, ja sogar rundum zu strahlen, wie wenn sie gerade in Tschernobyl Ferien gemacht hätten. Sie scheinen nicht zu erkennen, wie sehr sie sich selbst als Nichtswisser, als Inkompetente, als Unbedarfte entlarven mit ihrem dümmlichen Lächeln und ihrer asozialen Art, maskenlos grinsend, unwoke und ohne nach dem Pronomen zu fragen auf Mensch und Tier zuzusteuern, es in den übelsten Fällen sogar zu direkten physischen Kontakten kommen zu lassen und damit allen tödlichen Viren Gelegenheit geben, aus der weit offenen Büchse der Pandora, der ‘Lauterbach-Schatulle’ auszubrechen und noch mehr Unheil auf diesen verlorenen Planeten hinauszutragen.

Es fehlen noch neurologische Studien, die die Fehler, Abänderungen und Mängel in diesen ekelhafte Froh-Visagen erzeugenden Hirnen aufzeigen. Bis es soweit ist, möchte ich zuhanden dieser Zurückgebliebenen, die den Ernst der Stunde noch nicht begriffen haben, ein paar recht verlässliche Methoden, unglücklich zu sein, weitergeben.

Etwas vom wichtigsten ist die Erkenntnis des nahenden Weltuntergangs. Letztlich ist es völlig zweitrangig, ob wir dank der Unfruchtbarkeit der 70 Geschlechter aussterben, dank der Klimaerwärmung verbrennen, dank der Erhöhung der Meeresspiegel oder saftigen Tsunamis ertrinken, wegen einer unerwarteten kleinen Eiszeit erfrieren, von einem Meteoriten erschlagen, von einem Virus dahingerafft, von platzenden AKW’s oder Atombomben aus Nordkorea, Iran, Saudi-Arabien oder natürlich Moskau, Kiew, Peking oder woher auch immer verstrahlt werden – es reicht bestimmt für alle. Dass die Welt untergeht, ist garantiert. Wir wissen nur noch nicht, wann und woran, aber mit grosser Wahrscheinlichkeit bald. Diese Erkenntnis gibt uns den nötigen Basis-Groove dieses tiefen, fundierten, begründeten Unglücklichseins. Es ist nicht eine Laune, ein Gefühl, sondern zeugt von vertieftem Einblick in den Lauf der Dinge. Aber wir sollten uns deshalb nicht etwa gut fühlen, nur weil wir mehr wissen als diese äffisch Grinsenden, denn es hilft uns nichts. Es zieht uns alle mit in den Abgrund – und dies bestimmt bald.

Aber über diese Grundstimmung hinaus gibt es Verhaltens- und Denkanweisungen, die helfen, uns und anderen gegenüber unser Unglücklichsein jederzeit schlagkräftig zu begründen und zu verteidigen.

Hilfreich ist die Erkenntnis, dass wir immer und überall und jederzeit Opfer des Bösen sind, das allüberall lauert. Und die Aufgabe jedes Unglücklichen erster Ordnung ist es, unerbittlich Jagd zu machen auf die Schuldigen und ihnen das Grinsen aus den Gesichtern zu prügeln.

Diese Schuldigen erkennst du daran, dass sie dich immer und überall und jederzeit mobben, diskriminieren, beleidigen, zurücksetzen und verspotten. Dies berechtigt uns, nein verpflichtet uns, immer und überall und jederzeit schlecht gelaunt zu sein. Und wenn wir es einmal nicht schaffen sollten, sorgen wir dafür, dass uns niemand dabei ertappt.

Natürlich war die Welt schon immer schlecht, sozusagen eine Totgeburt, aber erkenne, dass es noch nie eine so grässliche, so schreckliche, so katastrophale Zeit gab wie jetzt. Sollte dir das ein Erhabenheitsgefühl geben, weil du ahnst, dass du in einer bedeutenden Endzeit lebst, verdränge dies nachhaltig, denn sei gewiss, es hat dich nur zufälligerweise gerade jetzt hierher gespült.

Hilfreich ist auch die Erkenntnis, dass du niemandem und nichts vertrauen kannst. Auch dir selbst nicht. Gehe bei jeder Begegnung mit Menschen, Tieren, Bäumen, Pflanzen, Steinen, Gewässern, Bergen, der Sonne, ja dem ganzen Universum davon aus, dass sie alle gegen dich sind, dich quälen, hinrichten, zerstören wollen.

Sei speziell auf der Hut bei allem, was Menschen sagen, schreiben, zeichnen, filmen, was sie für Musik machen, was sie zusammenbasteln, bauen, kochen, backen, erschaffen – einfach bei allem, was andere tun. Gehe davon aus, dass es mit übler Absicht getan ist und sich speziell gegen dich richtet. Entdecke immer, überall und jederzeit die Verfehlungen, die Mängel, die Bosheit der andern und nutze sie, um verletzt, beleidigt, empört, von gerechtem Zorn erfasst zu sein und zeige dies auch nachhaltig.

Betrachte es als deine Lebensaufgabe, diese blöden Glücksgesichter zum Verschwinden zu bringen. Verbreite deine berechtigt miese Stimmung und all die Gründe für dein Unglück möglichst flächendeckend um dich herum. Es lässt sich viel besser unglücklich sein, wenn es alle andern rundum auch sind.

Triffst du trotzdem auf bescheuerte, widerwärtige Wesen, die den Anschein machen, fröhlich und glücklich zu sein und die sich trotz deiner Bemühungen, sie zu überzeugen, von deinem Unglück nicht anstecken lassen, bist du berechtigt, härtere Massnahmen zu treffen. Quäle sie mit allen Mitteln, die dir zur Verfügung stehen, mache sie fertig, verletze sie, schlag sie nieder, aber bringe sie erst ganz um, wenn sie erkennen, dass Leben Unglücklichsein bedeutet. Normalerweise sieht und hört man es, manchmal riecht man es sogar, wenn sie endlich so weit sind. Es ist eine Sisyphus-Arbeit und wir werden wohl nie ganz damit fertig. Aber die Arbeit muss trotzdem getan werden, um den nahenden Untergang in Würde und ohne fehlgeleitete Strahlköpfe zu begleiten.

Natürlich wäre die auf der Hand liegende Lösung, dass du dir einen Betonklotz an die Beine bindest und dich in den nächsten genug tiefen See stürzest. Aber erstens braucht es dazu ein Boot oder eine Brücke und da hat es möglicherweise Idioten, die dich daran hindern wollen, und zweitens ist dies ja eine Einführung in die Kunst, unglücklich zu und nicht eine Suizid-Anleitung. Und überhaupt: wer garantiert dir, dass du nach dem Tod weiterhin Gelegenheit hast, so richtig tief unglücklich zu sein?

Gegen eine kleine Kursgebühr gebe ich auch Live-Kurse in der Kunst, unglücklich zu sein. He probiers! Es gibt so viele, die es geschafft haben. Sei nicht unglücklich, nur weil du noch nicht richtig unglücklich bist! Mit der Endlösung bin ich aber rein handwerklich noch nicht ganz so weit. Die Befestigung der Betonklötze gelingt noch nicht immer und macht mich – herrlich unglücklich! Bis dann aber schon mal: Unglück-Heil!

Genau solche Typen machen dir dann einen Strich durch die Rechnung bzw. einen Schnitt durch die schöne Betonklotzbefestigung…

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