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Gottlob hat Einstein seine Relativitätstheorien vor über hundert Jahren lanciert. Glück auch, dass die Quantenphysik, die immerhin gröber an der heiligen Kausalität rüttelt, kein Kind unserer Tage ist. Sie gälten heute als grauslichste Verschwörungstheorien. Das beliebte Modewort muss nämlich für alles herhalten, was den gerade als ‚in‘ geltenden Mainstream-Meinungen widerspricht. Dass das alle wissenschaftlichen Neuerungen definitionsgemäss tun, dass alles Neue ja gerade deshalb als neu gilt, weil es noch nicht unten bei den Massen, den Viel-zu-Vielen, den Dummies angekommen ist, die auch ohne Gauss zu bemühen immer schon den Hauptharst der gerade Lebenden ausmachten, ficht die Proleten offenbar nicht an, die heute so laut und so freigiebig mit dieser Vokabel um sich werfen. Wie sollte es, wenn die Dummen gerade in allen vier Gewalten so zahlreich am Drücker sind. In einem gesunden Kollektiv sind die Wägsten, die Kompetentesten, die Bestausgebildeten, die Fleissigsten, die Erfahrensten, die Klugsten an der Spitze – und von denen gibt es in der Regel nicht so viele wie von den Unbedarften, den Faulen, den Schlechtausgebildeten, den Unerfahrenen, den Dummen. Heute steht die Pyramide auf dem Kopf und wir haben weder die Klugsten an der Spitze noch eine Durchschnittsdurchmischung, sondern haufenweise Dummies, sodass man nicht mehr von einer ‚Spitze‘, und schon gar nicht von einer ‚Elite‘ sprechen kann. Hätte man vor 50 Jahren behauptet, es komme eine Zeit, in der nicht etwa per Zufall unbeabsichtigt und ausnahmsweise ein Depp ins Parlament oder in den Bundesrat gewählt werde, sondern eine Zeit, in der Doofsein das entscheidende Wahlkriterium darstelle – man wäre sofort als schändlicher Verbreiter einer Verschwörungstheorie gescholten worden.

Der Schluss ist naheliegend, dass das Verschwörungstheoriegeschrei ein Markenzeichen der Dummies ist. Wer das Wort verwendet, um irgendjemanden, der eine von ihm oder vom Mainstream abweichende Meinung äussert, outet sich damit selbst ganz unverblümt als Depp. Wer auf dem Boden der Aufklärung und der Wissenschaft debattiert, verwendet dieses Wort gar nicht. Er spricht vielleicht von einer Verschwörung, also einer geheimen Absprache einer meist kleinen Gruppe von ‚Verschwörern‘, die irgendetwas verändern wollen, von dem sie glauben, dass es in Offenheit nicht gelingen würde. Bekanntestes Beispiel dafür hierzulande sind unsere Gründungsväter mit dem legendären Rütli-Schwur, mit dem sie beschlossen, der Fremdherrschaft ein Ende zu bereiten. Damit haben wir auch gleich den Wortkern: die Verschwörer schwören einen Schwur, einen Eid – deshalb heisst unsere Heimat Eid-Genossenschaft –, meist des Inhalts, dass sie ihre Pläne geheim halten wollen. Wenn unsere drei  Eidgenossen wüssten, dass gut 700 Jahre später viele Eingewanderte und grosse Teile des Parlaments und des Bundesrats diese Fremdherrschaft wieder herbeisehnen, drehten sie sich wohl im Grabe. Ein ähnlich berühmtes, wenn auch von weniger Erfolg gekröntes Beispiel ist die Verschwörung deutscher Offiziere zur Befreiung von Hitler, die unter anderem zum missglückten Attentat vom 20.Juli 1944 führte. In beiden Fällen ist die Geheimhaltung nachvollziehbar und den Begriffen ‚Verschwörer‘ und ‚Verschwörung‘ fehlt der pejorative und verächtliche Beigeruch, der dem Begriff der ‚Verschwörungstheorie‘ anhaftet, wenn er heute von Dummies allüberall verwendet wird. Wie unsäglich kurzlebig dieses Geplärre ist, zeigt sich, wenn die als ‚Verschwörungstheorien‘ verschrieenen Meinungen sich innert Kürze zu durchaus plausiblen Erklärungen eines Phänomens wandeln. Wer im Frühling 2020 Covid 19 als Grippe bezeichnete und einen entsprechenden Umgang mit ihr forderte, wurde von den Dummies als Lügner, Covidiot, Fakenewsverzapfer und natürlich als Verbreiter einer Verschwörungstheorie verunglimpft, obwohl weit und breit keine Verschwörer zu sehen waren, die einen Schwur abgelegt hätten, um ein geheimes Ziel zu erreichen.  Desgleichen alle, die es wagten, die sogenannte Laborthese, also die Möglichkeit, dass das Sars-Cov2-Virus aus dem Labor in Wuhan entwichen sei, nur schon für untersuchenswert und nicht unplausibel bezeichneten und laut darüber sprachen und schrieben, nichts geheim hielten, wie das zu einer echten Verschwörung gehört. Die Dummies demaskieren sich also bereits mit der Verwendung des Begriffs und zeigen, dass sie nicht einmal wissen, was zum Inhalt des Begriffs ‚Verschwörung‘ gehört. Heute krebsen viele vormalige Ankläger zurück – und irgendwann werden auch die lautesten Schreihälse wohl etwas leiser werden mit ihren Anschuldigungen.

Kluge Menschen unterscheiden Meinungen, Hypothesen, Theorien nach ihrer Plausibilität – und wissen, dass bislang noch keine einzige ewigen Bestand hatte. Natürlich gibt es Thesen oder Behauptungen, die so hochgradig unplausibel sind, dass sie nur noch von historischem oder theologischem Interesse sind, wie z.B. das ptolemäische Weltbild. Aber auch dies war nie eine ‚Verschwörungstheorie‘, sondern eine damals vielen plausibel erscheinende Vorstellung, die vor allem den Theologen gefiel mit dem klaren Oben und Unten, das zur Vision von Himmel und Hölle passte. Aber weit und breit keine Verschwörer und keine Geheimhaltung.

Man muss das Wort ‚Verschwörungstheorie‘ nicht verbieten, im Gegenteil, es ist hilfreich als Selbstdeklaration. Wer irgendeine von der seinigen oder vom Mainstream abweichende Meinung als Verschwörungstheorie bezeichnet, könnte geradesogut ein T-Sshirt tragen mit der Aufschrift ‚Ich bin doof‘. – Vielleicht hilft diese Schmunzeleinsicht ja auch etwas dabei, selbsternannte ‚Verschwörungstheorie-Experten‘ wie Marko Kovic oder gewisse im Lancet publizierende unechte Wissenschaftler einzuordnen. Irgendein findiger Jungunternehmer sollte diese ‚Ich bin doof‘-Schilder anfertigen, möglichst wasserdicht und vielleicht mit Klettverschluss? T-Shirts, Taschen, Schirme, Hüte mit der Aufschrift könnten zum Hype werden. Ich träume sogar bereits davon, dass es das gefragteste Tattoo in den Redaktionen und Parlamenten wird.

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