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Unbekannten Gefühlen auf der Spur.

Genau dies empfahl mir ein Freund: «Versuch doch mal auf empört zu machen! Vielleicht stellt sich das Gefühl ja plötzlich ein, wenn du genug lange drückst!» Zugegeben, das war nach dem dritten Glas eines überaus süffigen Rotweins älteren Datums. Grund für diese Aufforderung war mein coming-out als völlig unzeitgemässer alter, weisser Hetero, der einige der ständig in der emotionalisiert-feminisiert-woken Gesellschaft vorgeturnten Gefühle gar nicht kenne, noch nie gehabt oder ‘gespürt’ habe und deshalb bei vielen Begegnungen mit Hominiden neuerer Bauart völlig aussen vor bleibe. Es sind diese heute grassierenden ‘Gespräche’, die meist nicht über das Austauschen von gerade gehabten oder den sich Entäussernden gleich überfallenden, meist mit beschränktem Wortschatz und reicher Jammerkörpersprache dekorierten Gefühlen hinauskommen, die mich zum staunenden Statisten machen.

Da dies einer geborenen Rampensau, die sich eigentlich am wohlsten fühlt hoch über den Zuhörern oder – schauern auf der Bühne, nicht lange wohlbekommt, wollte ich lernen, diese unbekannten Gefühle wenigstens glaubhaft vorheucheln zu können.

   Erste Hilfe leisteten die legendären Dauermeckerer vom Balkon aus der Muppet Show. Etwa so musste man wohl aus der Wäsche kucken, um einen Schuss ‘Empörung’ ins Publikum zu tragen:

Dann versuchte ich mich am Nachäffen der unsäglichen Fratze der ‘Heiligen der letzten Tage’, der Fleisch gewordenen Empörung, aber, wie mein Freund gnadenlos und ungeschminkt feststellte, mir fehle da das innere Feuer und vielleicht auch die hilfreiche Bildungsferne, da ich Löli ja während 12.5 Jahren am Freitag die Schule besucht hätte.

Wenn man was nicht kann, muss man es üben. Und so begann ich also heute in der Fruh (das Weglassen des Umlauts auf dem ‘u’ ist Absicht. Es war so früh, dass die Pünktchen es nicht rechtzeitig aufs ‘u’ schafften) mit der Empörung. Meine Anna, die mich in völliger Missachtung der morgendlichen Routine mit einem unmissverständlichen Schubser bereits um 05.00h statt um 05.30h aus dem Tiefstschlummer riss, gab mir einen Steilpass, und ich gab mir wirklich alle erdenkliche Mühe, sie empört anzuschauen. Allerdings ohne den geringsten Effekt. Im Gegenteil: sie schubste ein zweites Mal! Daraus zu schliessen, Empörung sei generell für die Füchse, wäre wohl etwas vorschnell. Vielleicht habe ich sie einfach zu wenig gut gespielt und Anna hat mich durchschaut.

Nichthündeler halten mich jetzt für durchgeknallt, was mir allerdings am Allerwertesten vorbeigeht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Anna sogar gelacht hat über mein blödes Gesicht mit dem gretaoiden Missbilligungsausdruck, den zu Schlitzen zusammengepressten Lippen und dem gekonnten Augenrollen – mit beiden linksrum… Ich war eigentlich recht angetan von meiner frühmorgendlichen schauspielerischen Leistung, blieb damit aber allein.

Doch ich kann es ihr nicht verdenken, da ich auch immer lachen muss, wenn Hominiden ‘auf empört’ machen. Ich kann mir nicht helfen, aber alle, die ihre Empörung auch noch verbal ausdrücken – was mir hilft, da ich sie sonst mutmasslich gar nicht erkennen oder mit akuter Verstopfung verwechseln würde – fand ich bislang hochgradig lächerlich. Ich finde, Empörung macht irgendwie dumm – auch ein empörter Nobelpreisträger wirkt auf mich doof.

Also helft mir bitte! Seid empört über mein Verlachen der Empörten, schickt Fotos von euren empörten Gesichtern, damit ich das üben kann, und bringt mir Argumente, wann, wie und wo Empörung eben ganz was Tolles, ja Unabdingbares, Notwendiges oder gar die Hominiden Rettendes sei.

Diese Babytragart merke ich mir – für den Fall, dass das mit der Klimaerwärmung nicht klappen sollte.

Und tut dies doch, bevor ich mich den nächsten Gefühlen zuwende, die auf der Liste stehen, die ich auf Empfehlung meines Freundes wenigstens vorzutäuschen lernen sollte. Allen voran ‘Beleidigtsein’! Am geilsten finde ich die Variante, wenn sich gar nicht von etwas mutmasslich Beleidigendem Betroffene beleidigt geben, stellvertretend für angeblich durch irgendwen oder -was diskriminierte andere Hominiden. Das find’ ich echt anspruchsvoll, dieses ‘stellvertretend fühlen’ für jemanden, ohne sicher zu sein, dass der andere wirklich das fühlt, was ich ihm unterstelle, vor allem dann, wenn es um ein Gefühl geht, das ich selbst gar nicht habe oder für das ich die Voraussetzungen nicht erfülle, so nach dem Motto: «Wenn ich ein Eskimo wäre – ich bin aber keiner – wäre ich beleidigt, wenn mich jemand als ‘Eskimo’ anspräche, also muss doch auch jeder richtige Eskimo beleidigt sein, wenn man ihn als ‘Eskimo’ anspricht, wo er doch nach heute gerade geltender Sprachregelung zwingend ein ‘Inuit’ sein muss und sich gefälligst auch nur noch als solcher ansprechen lassen darfsollmuss!» Diese Argumentation scheint mir derart dümmlich, dass sie mutmasslich nur von jemandem kommen kann, der eben gar nicht denkt, sondern nur vor sich hinffffüüüühlt wie eine Luftmatratze mit Loch.

Ich habs einmal versucht mit einer ähnlichen Variante, aber da war es immerhin ein Gefühl, das ich selbst derartig im Übermass empfand, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass es andere nicht teilten. Es war die zumindest in Rösselerkreisen verbreitete, zugegeben manchmal völlig spinnerte Freude an Hunziwelpen, z.B. angesichts der kleinen Artémis de Ventmont Bär-Ta Balista:

Aber ich musste schon als kleiner Troll erkennen, dass ich völlig falsch lag mit dieser flächendeckenden Übertragung meiner Gefühle auf andere. Schon im allernächsten familiären Umfeld gab es von totalem Desinteresse bis zu Ekel und Angst so einem ‘Viech’ gegenüber ‘aller Gattig’ Reaktionen. Seither stehe ich der ‘Stellvertretungs-Fühlerei’ eher skeptisch gegenüber.

Es gibt aber weitere mir völlig fremde Gefühle, die ihr mir beibringen könnt. Zum Beispiel ‘Panik’. Die Gründe sind sekundär, ich fand Panik bislang immer doof und hab sie selbst noch nie empfunden, obwohl sie durchaus in Mode ist, sei es in Form der Angst vor dem Weltuntergang dank der von mir so herbeigesehnten Klimaerwärmung oder durch den von vielen Politikern fleissig herbeigeredeten Atomkrieg. Dann aber auch die ‘Lust, sich als Untertan zu fühlen’ – mein Freund gab mir den Tipp, mich behufs dessen eine Weile in Deutschland niederzulassen, wo ich gleich auch noch das mir ebenfalls unbekannte Gefühl der ‘Lust, andere zu denunzieren’ üben könne.

Ihr seht: der Typ braucht Hilfe! – Wobei: wenn ihr mir NICHT helft, könnte ich mich vielleicht über dieses lieblose, unmenschliche Ausbleiben der Unterstützung durch meine Mitmenschlis erstmals im Leben veritabel und echt empören? Und würde dann endlich auch a bisserl in unsere Zeit passen? Wie fühlt ihr euch damit? (Diese Frage habe ich aus Interviews in Mainstreammedien abgekupfert. Mir gefällt noch besser: ‘Was macht das mit euch?’).

Dieses Gefühl, das Anna hier demonstriert und das man etwa mit ‚my home is my castle‘ oder mit ‚Besuche machen immer Freude, wenn nicht beim Kommen, dann beim Gehen‘ umschreiben könnte, ist mir hingegen durchaus vertraut.

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