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Zurzeit gibt es nur eine akzeptierte Haltung in der grossen, blökenden Menschenherde. Man hat gefälligst fassungslos, bestürzt, empört, entsetzt und überrascht zu sein. Man hat ja niiiieee gedacht, dass der böseböse Wladimir sooowas tut. Da allzu grosse Einigkeit der Massen für meinen Geschmack immer verdächtig ist und mehr oder weniger intensiv nach ‘Kreuziget ihn’, ‘Wollt ihr den totalen Krieg’, ‘Tod den Ungläubigen’,  – oder im harmloseren Falle nach thumben Fussball-Hooligans riecht, reizt es mich, meinem Erstaunen über das grosse Erstaunen Ausdruck zu verleihen. Was an dem Überfall auf die Ukraine ist denn so überraschend? Seit es Menschen gibt, nehmen sie einander weg, was sie können und sind in der Wahl der Mittel nie zimperlich gewesen. Klar gab es bei den Mitteln berauschende Fortschritte: was vor ein paar tausend Jahren mit Keulen begann, sind heute tolle Pänzerlis, Flugis, Drohnen und natürlich Atombömbelis jeder Grösse. Aber die Mentalität dahinter ist doch immer noch dieselbe? Der Keulenbewehrte schreckte vor dem Zuschlagen nur zurück, wenn er das, was er haben wollte, auch mit weniger Anstrengung kriegte – oder wenn das Gegenüber grösser, stärker, oder mit längerer, härterer Keule bewaffnet war. Das ist heute noch so. Die uralte Geschichte von David gegen Goliath bringt es banalstens auf den Punkt: Klein-David gewann die Auseinandersetzung gegen Gross-Goliath nur, weil er a) eine Waffe hatte, b) damit umgehen konnte und c) sie schneller einsetzte als Goliath die seine.

Wenn man sich natürlich jahrzehntelang um den Erwerb und die schnelle Handhabung von Steinschleudern foutiert, weil man als Friedensvorbild in die Ewigkeit eingehen möchte und das Steuergeld lieber für tarnfarbene Gratistampons in allen Kasernen, das Einsetzen von Gendersternchen in allen Reglementen und Büchern, den Kampf für 18-Jahre Vaterschaftsurlaub, das Abkratzen von in Ungnade gefallenen Inschriften, das Stürzen von Denkmälern, das Ausbuhen von Steinschleuderfabrikanten, das Verbieten von allem, was stark und wehrfähig macht, das Verteufeln von Leistung und Wettbewerb, die Abschaffung des Kapitalismus, dank dem man Steinschleudern herstellen konnte, den Zwangsschutz vor moralisch geächteten Klamotten und gerade als entartet erkanntem Futter und viele weitere ungemein wichtige Dinge einsetzte, wie das die sich jetzt so fassungslos gebenden Mainstream-Westler taten und weiterhin tun, sollte man sich nicht allzu laut wundern, wenn der machthungrige Bär sich die Schwäche, das Abgelenkt- und Unvorbereitetsein zunutze macht und mal drauflos pokert. Muss er denn Angst haben vor der lieben, harmlosen, von einem Softy geführten und intern uneinigen Spielzeug-Nato? Oder vor dem senilen Tattergreis jenseits des Atlantiks, der ja mit dem desaströsen Abzug aus Afghanistan zeigte, was er militärisch so drauf hat? – Wetten, dass Putin es nicht gewagt hätte, wenn Trump oder Reagan oder sonst ein etwas schärferer Hund im weissen Haus sässe? Er war ja überdeutlich, hat immer schon gesagt, dass er das alte Grossrussland wieder auferstehen lassen möchte, hat in mehreren Kriegen den Worten Taten folgen lassen, 2014 mal die Krim gefressen und an der Ukraine gerüttelt. Wahrscheinlich werden zurückblickende Historiker dereinst einmal bestätigen, dass die Gelegenheit nie günstiger, der Westen nie schwächer und verblödeter war als gerade jetzt. Dann nahm sich der Bösewicht ja alle Zeit der Welt, um die Ukraine mit beeindruckender Heeresstärke einzukreisen, zu bedrohen und ihr Gelegenheit zu geben, sich freiwillig zu unterwerfen. Tat sie nicht. Vielleicht hatte er den Komiker auf dem Präsidentenstuhl und den Wehrwillen der Ukrainer unterschätzt. Aber einem alten KGB-Agenten macht das doch nichts aus. Dann gibt’s halt etwas mehr Kollateralschäden. Aber was sind ein paar Tote, wenn man dafür die Weltkarte nachhaltig korrigieren kann? Na dann los. Die Generation Weichei im Westen rätselt, ob er übergeschnappt, psychisch krank, wahnsinnig sei. Wieso denn? War er je anders? Ist er je davor zurückgeschreckt, Leute zu entfernen, die ihm im Weg waren? Ich habe bereits zwei Wochen vor dem Angriff Wetten abgeschlossen, dass er es tut. Mich hätte sehr erstaunt, wenn er einfach wieder unverrichteter Dinge abgezogen wäre. – Wer sich da nun vor laufenden Kameras ‘fassungslos’ gibt, ist entweder hochgradig unbedarft, ein heuchlerischer Selbstdarsteller wie mein Lieblingsdepp Wermuth, oder beides.

Am lächerlichsten ist der helvetische Bundesrat, der aus Angst, isoliert zu sein, wenn er nicht mehr schön im EU-Mainstream mitschwämme, die bewaffnete Neutralität aufgegeben hat. Klar ist man allein, wenn sich die halbe Welt in zwei Lager teilt, die einander Gift geben möchten. Das kennt man vom Pausenplatz, von Kleinkollektiven wie Familien, Vereine, Unternehmen, Weiler, Gemeinden. Klar braucht es mehr Mut, nicht Partei zu ergreifen und sich für Vermittlung, gute Dienste, als Gesprächs- und Versöhnungsort zur Verfügung zu stellen, als mit einer Partei mitzuheulen. Aber die Schweiz hatte diesen Mut in den letzten zweihundert Jahren, bis vor wenigen Tagen. Gut, früher war es eine bewaffnete Neutralität. Die Bewaffnung ist ein entscheidender Faktor, um nicht von einer der Parteien so nebenher eingesackt zu werden. Dank all den Alt-Jusos, die mitunter die Mehrheit in unserem feminisiert-emotionalisert-infantilisierten Kinderparlament bilden, hat die Schweizer Armee sowohl von der Grösse wie von der Ausrüstung und Ausbildung her das Dissuasionspotential weitgehendst verloren. Wenn nun die gleichen Leute, die noch bis vor einer Woche die Armee am liebsten ganz abschaffen wollten, nun lauthals «Aufrüstung!» schreien, ist das nicht nur lächerlich widersprüchlich, sondern auch ziemlich kurzsichtig. Denn auch wenn wir heute das Militärbudget verdoppeln oder verdreifachen würden, dauert es mutmasslich ein paar Jahre, bis mehr, besser ausgerüstete und ausgebildete Soldaten einsatzbereit wären – ganz so lang wird sich Wladimir wohl nicht Zeit lassen mit der Ukraine. Es wäre trotzdem sehr empfehlenswert, wenn wir unsere Mittel wieder etwas intelligenter einsetzen würden und statt all der oben erwähnten dekadenten und unnötigen Nebenschauplätze uns mittel- und langfristig wieder an unsere bewaffnete Neturalität erinnern und den Begriff der Dissuasion wieder in den parlamentarischen Wortschatz aufnehmen würden (wetten, dass all die Alt-Jusos das Wort nicht kennen?).

Fast noch stupider als die geheuchelte Fassungslosigkeit ist m.E. die Sippenhaftung, die von der geistigen Unterschicht zurzeit gegen alle Russen und alles was russisch ist, praktiziert wird. Unternehmer, die stolz verkünden, dass sie alle russischen Produkte aus den Regalen genommen hätten, bei uns lebende Russen, die gemobbt, nicht mehr bedient, ausgestossen werden. Mal waren’s die Juden, mal die Araber, andernorts die Schwarzen – in vielen europäischen Ländern waren es lange Zeit die Deutschen, die ‘Krauts’, die gleich mal gesamthaft mit Hass und Verachtung überzogen wurden. Und nun also die Russen. Wie wenn sie das geringste dafür könnten, dass ihr Machthaber gerade auf Fresstour ist. – Aber, zugegeben, nach der Corona- und der wohl noch ein paar Jahre weiteranhaltenden Klimahysterie kann die Russenhysterie nicht wirklich verwundern.

Damit es zum Schluss noch was zu lachen gibt, möchte ich Einstein zitieren (zumindest wird ihm das Bonmot zugesprochen, es wäre aber auch gut, wenn es von Zwei- oder Dreistein wäre):

«Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit. – Beim Universum bin ich mir allerdings noch nicht ganz sicher.»

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2 Comments

  1. Avatar marpa

    ute

    Du hast ja doch noch Hoffnung. Es wäre empfehlenswert unsere Mittel intelligenter einzusetzen. Empfehlenswert. Wem gibst Du die Empfehlungen,den intelligenten Wesen,die irgendwo im All schweben?
    Das von Dir zitierte Bonmot entspricht meinen derzeitigen Erfahrungen.
    Ich suche einen Sinn oder ein Ziel in den Handlungen,die als Antwort auf die Aggression von Putin gerade zu beobachten sind.
    Sich selbst auf die Schulter zu klopfen und wieder einmal die Guten und Schlechten erkannt zu haben und die Sündenböcke als solche zu behandeln.
    Das darf man nicht nur,das muss man sogar ,sonst handelt man ja unmoralisch.Und was Moral ist bestimmt der, der am lautesten brüllen kann.

  2. Avatar marpa

    ute

    Noch einmal gelesen,noch einmal gelächelt, na klar das ist die Wohlstandsverwahrlosung im großen Ausmaß.
    Gepamperte illusionistische Theoretiker müssen empört und überrascht sein. Was ist anders zu erwarten?
    Sie kennen nur das Wolkenkuckucksheim.

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